Prokrastination - Belastung als Chance

Studierende erleben sie, wenn sie die Abgabe eines schriftlichen Referats immer weiter verschieben. Berufstätige versuchen, Haushalt, Familie und Sport mit einem wichtigen Coachingtermin zu vereinbaren, um sich endlich zu verändern.

Prokrastination
Prokrastination (Unsplash: © Kinga Cichewicz)

Wie kann man der Aufschieberitis vorbeugen? Und ab wann hat sie Krankheitswert? Die Antworten darauf hält dieser Artikel bereit, ergänzt um Ursachen und Hilfemöglichkeiten. Mit Kurztipps, einer vertiefenden Schritt-für-Schritt-Anleitung und Anregungen für einen persönlichen Wochenplan können Aufgeschlossene Erledigungsblockaden wirkungsvoll begegnen. Die Seite schließt mit Hinweisen für mittel- und langfristige Ziele für stärker Interessierte. Wir wünschen allen Lesern Mut für ihre ganz persönlichen Schritte.

Inhaltsverzeichnis

  1. Prokrastination Definition
  2. Prokrastination Ursachenforschung
    1. Einem komplexen Phänomen auf der Spur
    2. Ist Prokrastination eine Krankheit?
    3. Wie sich die Prokrastination im Gehirn zeigt
  3. Hilfe bei Prokrastination
  4. Die Prokrastination überwinden
    1. Tipps gegen chronisches Aufschiebeverhalten
    2. Ausführliche Schritt-für-Schritt-Anleitung
    3. Das Wochenprogramm gegen die Bummelei
    4. Mittel- und langfristige Ziele
  5. Fazit

Prokrastination Definition

Der Begriff ‚Prokrastination‘ stammt vom lateinischen Verb ‚pro-crastinare‘ ab. Wörtlich heißt das: auf morgen schieben, aufschieben, verschieben, vertagen oder verzögern. Er ist Teil der Fachsprache und immer gebräuchlicher in der Alltagssprache. Synonyme sind die umgangssprachliche ‚Aufschieberitis‘, das ‚Aufschiebeverhalten‘, ‚Bummelei‘, ‚Erledigungsblockade‘, ‚Erregungsaufschiebung‘ sowie der ‚Handlungsaufschub‘.

Prokrastination beinhaltet nicht, Aufgaben oder Termine einmal zu verschieben. Es geht um ein wiederholtes Vertagen, und zwar von unangenehmen wichtigen und dringenden Angelegenheiten.

Handlungsaufschübe beginnen im Kleinen: mit dem späten Anfangen einer bedeutenden Aufgabe und vielen Unterbrechungen, mit dem Ziel, abzulenken und sich auf Unwichtiges zu fokussieren. Auch fehlende wichtige Zusagen oder Absagen, vor denen sich die Person nicht entscheiden kann, zählen dazu. Die Aufschieberitis kann ihren Ausdruck im Großen darin finden, dass ein Mensch ein zielgerichtetes Studieren oder Arbeiten vermeidet.

Vermeidungsaufschieber vertagen wegen einer Versagensangst und um sich zu schützen. Manche Begründungen sind Ausreden. Fakt ist, dass dieses Konfliktvermeidungsverhalten nur mittelfristig hilft. Langfristig wirkt es sich negativ auf das Selbstbewusstsein und die Selbstwirksamkeit aus. Psychologen ordnen Prokrastinierer als Menschen mit einer Störung der Selbststeuerung ein.

Die Wissenschaftler unterscheiden davon die Erregungsaufschieber: Personen, die Aufgaben erst kurz vor Termin erledigen. Sie nutzen den Adrenalin-Kick an der Grenze vor dem möglichen Versagen oder besitzen narzisstische Züge, mit einem überhöhten Selbstbild.

Prokrastination Ursachenforschung

Einem komplexen Phänomen auf der Spur

„Achtet des einzigen, das Ihr habt: Diese Stunde, die jetzt ist.
Als ob Ihr Macht hättet über den morgigen Tag!
Wir ruinieren unser Leben, weil wir das Leben immer wieder aufschieben.“


(Epikur von Samos, Philosoph, 341-271 vor Christus)


Das von Thomas Fydrich 2009 entwickelte psychologische Modell für Arbeitsstörungen bietet eine Erklärung für das vielgestaltige Erscheinungsbild. Danach geht der Berliner Wissenschaftler von einem grundsätzlichen Gleichgewicht aus - zwischen den persönlichen Qualitäten eines Menschen auf der einen Seite, und den Rahmenbedingungen in seinem Arbeitsprozess auf der anderen Seite. Beispiele für Letztere sind die Menge der Aufträge und deren Steuerbarkeit.

Wenn die Bedingungen in einem harmonischen Verhältnis stehen, führe das zu einem Tätigkeitsstil, der der Arbeit und der Zielerreichung zuträglich ist, sowie zu individueller Genugtuung. Im umgekehrten Fall käme es zu einem Missverhältnis. Es würde für Probleme bei der Ausübung der Tätigkeit wie zum Beispiel für ein Aufschieben sorgen.

Die folgende Differenzierung zwischen inneren und äußeren Auslösern einer Prokrastination baut, allgemeinverständlich und um Alltagsbeispiele ergänzt, auf diesem Zusammenhang auf.

a) Innere Faktoren:

  • Unsicherheiten und Ängste

    Beispiele dafür sind Versagensängste und soziale Phobien. Als dahinter stehende Ursache hat ein Forscherteam der Universität Bochum auf Ängste angepasste Gehirnstrukturen gefunden.

    Der Berliner Professor Gerd Gigerenzer wiederum führt die sogenannten Maximierer an, die aus ihrer Unsicherheit heraus immer mehr Informationen in ihre Entscheidungsfindung einbeziehen würden und diese dadurch stetig hinauszögerten.

  • Als ambivalent oder sinnlos empfundene Ziele

    Dazu gehört die von anderen Personen übertragene Verantwortung, die ein Prokrastinierer aus vertraglichen oder moralischen Gründen nicht abgeben möchte. Eine gleichzeitige fachliche Überforderung kann den Verschiebungswunsch verstärken.


  • Konzentrations- und Motivationsschwierigkeiten

    Als dahinterstehende Ursache hierfür kommen Frustrationserfahrungen in Frage, die ein Aufschieber nicht verarbeitet hat. Ein Ausweg besteht im Bewusstwerden und in der Konfrontation mit solchen Erlebnissen.


  • Priorisierungs- und Entscheidungsprobleme

    Auch Unklarheiten über die Prioritäten beteiligter Personen sowie eine mangelnde Kommunikation spielen eine Rolle bei der Aufschieberitis.


  • Managementfaktoren und fehlende Techniken

    Eine unzureichende Arbeitsorganisation wie ein schlechtes Zeitmanagement führen dazu, dass Termine nicht eingehalten werden können.


  • Kulturelle Unterschiede im Zeitverständnis

    Das Selbstverständnis, sich heute anzustrengen, um mittelfristig eine stabile Existenz zu erreichen, ist in unserer Kultur weit verbreitet. In Mittelamerika leben einige Indianervölker stärker im Heute als wir. Im Gegensatz zu manch westlichen Projekthelfern erscheint es ihnen wertlos, jetzt zu beginnen, standardisierte Produkte herzustellen, um sie mittelfristig teurer auf den lokalen Märkten feilzubieten. Hier stellt sich die Frage, inwieweit solche, von „außen“ betrachtete Prokrastination wirklich solche ist oder ob es um eine unterschiedliche Priorisierung geht.

b) Äußere Faktoren des Prokrastinierens:

  • Unklare Projektbedingungen

    Dazu gehören eine verschwommene Aufgabenstellung und ein unzureichender Zeitrahmen.

    Hallenser Forscher haben 2018 mit ihrer Psychologie-Studie gezeigt, wie wichtig positive äußere Arbeitsfaktoren für ein zügiges Arbeiten sind („Empower, not impose! Preventing academic procrastination”). Eine innere Weiterentwicklung allein würde nicht gegen eine Prokrastination helfen. Sie erarbeiteten positive Vorschläge: gemeinsame Vereinbarungen von Dozenten und Studierenden für akademische Arbeiten. Termine für Nahziele gehörten hier mit herein, eine verständliche Zeitschätzung und das Korrekturlesen von Protokollen durch die Gegenseite.

Ist Prokrastination eine Krankheit?

Die Frage ist differenziert zu beantworten, ob es sich bei ausgeprägter Aufschieberitis um eine Krankheit oder die Folge einer Krankheit handelt. Prokrastination ist keine Krankheit im Sinne der ICD-10-Klassifikation für psychische Störungen oder des US-amerikanischen DSM-5 Manuals. Sie kann ein Symptom sein, das auf eine Krankheit hinweist, zum Beispiel auf Depressionen.

Bezüglich Depressionen kommen beide Möglichkeiten in Frage: Prokrastination kann eine von mehreren Ursachen von Depression sein (niemals alleinige Ursache, denn Depressionen sind als komplexes Phänomen hinsichtlich ihrer Ursachen wissenschaftlich noch nicht vollständig klar). Außerdem kann eine Verschieberitis eine Folge von Depressionen sein.

Eine Hilfe von außen (siehe unserem Hilfe-Abschnitt) unterstützt einen Menschen bei Depressionen sowie bei psychologischen Problemen, die die Tendenz zu prokrastinieren, verstärken können:

  • Schlafstörungen – Diese verringern die Ressourcen, die notwendig sind, um eine Prokrastination zu vermeiden oder zu überwinden.
  • Gedankenkreisen und Konzentrationsprobleme – Gedankenkreisen ohne die Entscheidung, bestimmte Schritte in einer Arbeit zu tun, stellt einen Energiefresser dar. Je weniger Energie eine Person hat, desto eher hat sie die Tendenz, eine Tätigkeit zu vertagen.

Eine Prokrastination kann auch eine Folge von ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörungen) sein oder von körperlichen Beschwerden wie zum Beispiel Schmerzen beim Sitzen. Durch beide Ursachen sind die Aufmerksamkeit und die Konzentration auf die Arbeit gestört, was die Vermeidung einer Prokrastination erschwert.

Pathologisch ist eine Prokrastination auch, wenn sie dazu führt, dass eine Person sich absondert und einschließt, was auf eine soziale Phobie hinweisen kann.

Sehr empfehlenswert ist es für einen Aufschieber, um Hilfe oder ärztliche Unterstützung nachzufragen, wenn er einen starken Verlust an Selbstkontrolle empfindet und ihn die Auswirkungen des Prokrastinierens immens seelisch und/oder körperlich beeinträchtigen.

Wie sich die Prokrastination im Gehirn zeigt

Ergebnis einer biopsychologischen Studie von 2018 durch ein Bochumer Team um Caroline Schlüter ist, dass Prokrastinierer eine vergrößerte Amygdala, den sogenannten Mandelkern, in ihrem Limbischen System aufweisen. Derart verändert, drückt der Mandelkernkomplex Angst stark aus und wirkt auf eine schnelle Atmung, Herzklopfen und einen beschleunigten Kreislauf hin. Dr. Erhan Genç von der Bochumer Arbeitsgruppe nimmt an, dass das zum Vertagen von Angst besetzten Tätigkeiten führen kann, weil die Menschen möglichen negativen Resultaten entgehen möchten.

Überraschend ist auch die weniger intensive Zusammenarbeit des Mandelkerns mit der „dorsaler ACC“ genannten Region, was sich verstärkend auf ein Vermeidungsverhalten auswirken kann. Der dorsale ACC hemmt wiederstreitende Aktionen und Gefühle und sorgt so für die Erfüllung ambivalent empfundener Aufgaben.

Hilfe bei Prokrastination

Gemeint ist die Hilfe, die ein chronischer Aufschieber erhalten kann, wie:

  • Selbbsthilfe

    Selbsthilfe kann ein Mensch allein realisieren oder mit Gleichgesinnten, zum Beispiel in Online-Foren oder Selbsthilfegruppen vor Ort. Vorschläge für eine Selbsthilfe sind die Tipps und die Schritt-für-Schritt-Anleitung dieser Webseite. Ziel ist es, wieder mehr Selbstkontrolle auszuüben.
  • Therapeutische Unterstützung

    Eine Kontaktaufnahme ist wichtig, wenn die Prokrastination sich stark negativ auf die Gesundheit eines Menschen auswirkt und ein Gefühl von Kontrollverlust über das eigene Leben entstanden ist. Mit Hilfe eines Psychotherapeuten, Psychologen oder Psychiaters kann er zum Beispiel in einer Verhaltenstherapie ein alternatives Arbeitsverhalten einüben.

    Zur Prokrastination existieren aus ärztlicher Sicht erst wenig methodische Therapieansätze. Vielmehr werden mit der Aufschieberitis zusammenhängende Krankheitsbilder behandelt, für die ein Diagnoseschlüssel existiert, zum Beispiel Depressionen, ADHS oder Angststörungen.
  • Hausärztliche Versorgung

    Der Hausarzt ist erster und in der Regel vertrauter Ansprechpartner. Er kann zu einem Spezialisten überweisen, zum Beispiel zu einem Therapeuten mit einer psychiatrischen Ausbildung.
  • Psychosoziale Beratung und Training Prokrastination mit Test

    Solche Beratungsstellen bieten - je nach Ausbildung der Berater - eine Begleitung in schwierigen, von Prokrastination geprägten Arbeits- und Lebensphasen an.

    Gehören zur Einrichtung Therapeuten, so können Klienten therapeutische Angebote nutzen – das heißt Angebote, die über eine Beratung und Begleitung hinausgehen. Ausgehend von einer Diagnose wirkt ein Therapeut bewusst auf seine Patienten ein, mit dem Ziel der Gesundung. Auch hier kann eine Verhaltenstherapie verwirklicht werden.

    Die Prokrastinationsambulanz der Universität Münster ist ein positives Beispiel, wo Ratsuchende eine Diagnostik erhalten. Jegliche Privatpersonen können online einen Selbsttest zur Prokrastination absolvieren, der wissenschaftlich und anonym ausgewertet wird.

    Studierende haben im Anschluss die Möglichkeit, sich für Anti-Prokrastinationstrainings einzuschreiben oder Einzelberatungen, Therapien oder Kurztrainings in einer Kleingruppe in Anspruch zu nehmen.
  • Coaching

    Bei einem Coaching zur Überwindung des chronischen Aufschiebens geht der Coach davon aus, dass der Klient den Kern für die Lösungen seines Problems bereits in sich trägt. Die Rollengestaltung zwischen beiden Seiten ist dabei relativ offen – das ist der Vorteil eines Coachings gegenüber einer Therapie. Ein Klient kann Themenvorschläge mitbringen wie den Gesprächswunsch über ängstigende Zukunftsszenarien. In einem systemischen Coaching betrachten Coach und Coachee nicht nur den Klienten selbst, sondern auch die Personen, mit denen er in Beziehung steht, zum Beispiel bei der Beantwortung der Frage: Was braucht es, damit Sie Lust hätten, diese Prüfung durchzuziehen? Und wie könnte Ihr Umfeld Ihnen dabei helfen?

    Ein Coaching stößt da an seine Grenzen, wo es in den Bereich der Intervention, also in eine Therapie hineingeht, sofern der Coach keine Zusatzausbildung als Therapeut besitzt.
  • Vorbeugung kommender Erledigungsblockaden

    Prokrastination haben bereits 82 Prozent der Deutschen schon einmal erfahren. Darauf weisen die repräsentativen Ergebnisse der 2018 veröffentlichten Studie des Sinus-Institutes für die Initiative „7 Jahre länger“ hin. Um zukünftige Arbeitsstörungen zu vermeiden, empfiehlt es sich, Fähigkeiten wie die Strukturierung von Wochen- oder Tagesabläufen oder die Priorisierung nach wichtigen und dringenden Aufgaben zu erwerben oder auszubauen.

Die Prokrastination überwinden

Tipps gegen chronisches Aufschiebeverhalten

„Morgen werde ich mich ändern;
gestern wollte ich es heute schon.“


(Christine Busta, Lyrikerin, 1915-1987).

Dieser Abschnitt hält für Interessierte zunächst Kurztipps bereit. Wer ein weitergehendes Interesse verspürt oder mehr Erläuterungen benötigt, findet im anschließenden Abschnitt Anwendungsbeispiele mit einer Schritt-für-Schritt-Anleitung.

Um ein wiederholtes Aufschieben positiv zu meistern, hilft es:

  • Sich klar zu werden darüber, dass man immer wieder verschiebt – und zwar wichtige und dringende Aufgaben!
  • Den Gründen dafür auf die Schliche zu kommen
  • Sich nicht zu verurteilen, sondern es als Realität anzunehmen und Verständnis für sich zu entwickeln
  • Sich auszutauschen mit Menschen in einer ähnlichen Arbeitssituation
  • Zu merken, wie leicht es ist, Hilfe zu finden (wo, das erfahren Interessierte im Abschnitt: ‚Hilfe bei Prokrastination‘)
  • Zu wissen, dass Gruppenkurse zur Überwindung der Prokrastination Erfolgserlebnisse und Freude bereiten
  • Sich eine bessere Arbeitsstruktur zu überlegen und zu prüfen, was wirklich wichtig ist
  • Probleme zu artikulieren
  • Sich auf Positives und Erreichtes zu fokussieren
  • Auf die eigenen Ressourcen zu achten
  • 30 bis 50 Prozent für Unvorhergesehenes einzurechnen, bei der Aufgabenplanung
  • Bei Schreibblockaden einen Trick anzuwenden: Man arbeitet nur für zehn Minuten. Dann ist zunächst Schluss. Wenn man nun keine Blockade mehr spürt, schreibt man weiter
  • Sich aufmerksam zu beobachten, falls man sich massiv gegen eine Aufgabe sträubt. Hier hilft, sich über den Grund dahinter klarzuwerden. Gegebenenfalls sollte man erwägen, diese einzelne Aufgabe fallen zu lassen

Die ausführliche Schritt-für-Schritt-Anleitung gegen Aufschieberitis

Der folgende Leitfaden ist anfänglich nach der Reihenfolge der empfohlenen Schritte 1-3 gegliedert. Jeder Mensch bringt individuelle Fähigkeiten mit. Deshalb sind Aktionen ab Schritt 4 ein grober Handlungsrahmen, für die jede Person selbst die Reihenfolge wählt. Es kann ebenso Sinn machen, mehrere Schritte parallel anzugehen oder einen Schritt als bekannt abzuhaken. Am Ende dürfen möglichst viele Aufgaben erledigt worden sein.

  • Schritt 1: Mir ist klar, dass ich Wichtiges vertage.

    Eine genaue Bestandsaufnahme bringt Klarheit, zum Beispiel in Form einer grafischen Übersicht auf einem Blatt. Alternativ ist ein Gespräch mit einer neutralen Person empfehlenswert, die ein konstruktives Feedback zur eigenen Arbeitsweise formuliert.

  • Schritt 2: Ich will die Prokrastination meistern.

    Die bewusste Entscheidung ist wichtig, um diese unangenehme Situation zu ändern. Ein bloßes Reden hilft nicht.

  • Schritt 3: Brauche ich Unterstützung?

    Die diversen Hilfemöglichkeiten sind auf der Seite dargelegt. Der nächste Teilschritt läge nun in der Kontaktaufnahme mit einem Coach oder Berater oder die Anmeldung bei einem Hilfe-Forum oder einer Online-Gruppe.

  • Schritt 4: Ich bin mir über die Gründe für mein Aufschieben klar.

    Gemeint sind nicht die Ausreden, sondern die dahinter liegenden Ursachen. Man kommt auf sie, wenn man ehrlich zu sich selbst ist, zum Beispiel mittels dem Punkt der Ursachenfindung dieses Artikels.

  • Schritt 5: Ich strukturiere meine Arbeit.

    Eine große Aufgabe wird leichter in ihrer Bewältigung, wenn eine Person diese in Teilaufgaben und Arbeitsschritte unterteilt. Sie kann dafür ein neues Word File am Computer öffnen und geplante Meilensteine mit Symbolen untermauern. Oder sie bringt ein Flipchart in Augenhöhe an. Darauf richtet sie eine Tabelle mit drei Spalten ein: im Tabellenkopf die groben Punkte der Arbeit, die Probleme/offenen Fragen und die Problemlösungsmöglichkeiten.

    Solch eine Visualisierung darf Spaß machen! Am Ende von Teilaufgaben können Belohnungen winken. Geschafftes darf dick durchgestrichen werden.

  • Schritt 6: Ich ordne meine Aufgaben nach Prioritäten.

    Zeitmanagement-Methoden verdeutlichen, wie man seine Prioritäten ordnen kann, zum Beispiel:

    Mit der 80-20-Regel, auch Pareto-Prinzip genannt, hatte der Erfinder die Idee, dass durch 20 Prozent Aufwand 80 Prozent der Arbeit realisiert werden könnten. Das ist nicht ganz realitätsnah, sondern weist vielmehr auf die unterschiedlichen Zeitanforderungen je Aufgabe hin.

    Damit ein Mensch effektiv ist, benötigt er die richtige Priorisierung, zum Beispiel nach dem Eisenhower-Prinzip. Er teilt sein Gesamtvolumen an Arbeit, vorstellbar als großes Rechteck, in vier kleine Rechtecke ein – mit den Überschriften: ‚wichtig & dringend‘, ‚wichtig & nicht dringend‘, ‚unwichtig & dringend‘ sowie ‚unwichtig & nicht dringend‘. Die höchste Priorität sollte Wichtiges haben.
    Dringendes hingegen zeigt sich in der Realität häufig als nicht so wichtig. Ein Zeitmanagement ist dafür da, dass Aufgaben nicht erst kurz vor Termin fertig werden. Ein gutes Vorbild war der Informatik-Professors Randy Pausch von der Carnegie Mellon University. Empfehlenswert sind seine interessanten Zeitmanagement-Vorträge im Video-Format.

  • Schritt 7: Ich fokussiere mich auf Positives in meiner Arbeit.

    Innerlich leiten können solche Fragen: Was finde ich besonders interessant an meiner Arbeit? Was kann ich gut? Wann macht mir die Arbeit Spaß?

    Man darf sich zutrauen, seine Ziele zu erreichen. Ist man sich unsicher, helfen die Fragen: Wie habe ich in der Vergangenheit erfolgreich ein ähnlich schwieriges Ziel erreicht? Und was brauche ich nun, um die aktuelle Aufgabe zu erfüllen?

  • Schritt 8: Ich belohne mich selbst, für die Teilergebnisse.

    Belohnungen verstärken einen positiven Fokus, und wenn eine Person sich selbst einschätzt und belohnt, macht sie das unabhängig.

  • Schritt 9: Ich habe mir Rituale geschaffen für einen gleichmäßigen Arbeitsrhythmus.

    Das kann ein Kaffee zum Arbeitsbeginn sein, ein Spaziergang in der Mittagspause oder ein Tee zum Tagesausklang.

  • Schritt 10: Ich habe regelmäßigen Austausch mit Gleichgesinnten über meine Arbeit.

    Verabredungen während einer Studienabschlussarbeit mit jemandem in der gleichen Situation sind mögliche Belohnungen. Die Betreffenden können sich über Probleme und Erfolgserlebnisse austauschen. Neben dem sozialen Miteinander können sie von den Lösungsansätzen des Anderen profitieren, zum Beispiel: Wie geht der Andere mit Ablenkungen um, wie mit Versagensängsten? Im Hinblick auf diese Pausen können kleine Teilziele ins Auge gefasst werden.

  • Schritt 11: Ich kommuniziere auftretende Probleme und Unklarheiten.

    Wirkt sich die eigene Arbeit – im Studium, im Beruf oder im Haushalt – auf andere Personen aus, so ist eine Abstimmung sinnvoll, auch mehrmals. Man sollte einschätzen, ob genügend Zeit zur Verfügung steht, in Bezug auf den Umfang der Arbeit. Wenn nicht, sollte man die Prioritäten überdenken und gegebenenfalls den Chef oder Auftraggeber sowie involvierte Kollegen informieren. Eine Option wäre, die Aufgabe auf mehrere Personen verteilen zu lassen.

  • Schritt 12: Fühle ich mich energiegeladen?

    Wie das Essen, Trinken und die Pausen besitzt auch der Bio-Rhythmus eine Relevanz für den Energiehaushalt. Nach Möglichkeit dürfen die wichtigen Aufgaben dann gelöst werden, wenn ein Mensch am meisten Energie hat.

  • Schritt 13: Ich minimiere meine Energiefresser.

    Ziel dieses Schrittes ist die Reduzierung von Ablenkung, zum Beispiel durch Gegenstände, Lärm/Musik, Unterbrechungen oder Personen. Dazu gehört auch das Ausschalten störender Gedanken und negativer Emotionen. Man darf sich darin üben, nicht zu katastrophisieren, sondern gegebenenfalls einen Realitätsabgleich vorzunehmen.

  • Schritt 14: Ich darf mich erholen und schaffe mir immer wieder einen schönen Ausgleich.

    Den mit dem Oberbegriff ‚Work-Life-Balance‘ umschriebenen Grundsatz sollte ein Mensch auf seine persönlichen Bedürfnisse herunterbrechen: Fühle ich mich verspannt? Was für ein Ausgleich täte mir gut?

Das Wochenprogramm gegen die Bummelei

DAS Wochenprogramm für Aufschieber gibt es nicht. Vielmehr ist es sinnvoll, wenn eine Person selbst ihren Wochenplan – nach den eigenen Bedürfnissen, Schwerpunkten und Möglichkeiten – aufstellt. Hier sind Vorschläge für die Inhalte:

  • Zwei oder drei Teilziele – Diese aus der Schritt-für-Schritt-Anleitung in das Programm für die folgende Woche übernehmen.
  • Selbstbeobachtung – Ein kleines Arbeits-Tagebuch anlegen, auf Druckseiten oder am Computer. Es ist einsetzbar für eine Problemanalyse beim Coaching, in einer Therapie und zur Ergebniskontrolle. Hilfefragen für die Selbstwahrnehmung könnten sein: Was klappt gut beim Arbeiten? Bei welchen auftretenden Problemen spüre ich den Wunsch, die Aufgabe aufzuschieben? Was brauche ich, um die Aufgabe fortsetzen zu wollen?
Arbeitstagebuch
Arbeitstagebuch (Unsplash: © STIL)

Mittel- und langfristige Ziele

Prokrastination ist komplex und individuell. Für Interessierte, die ihre eigene Persönlichkeit besser kennenlernen und sich emotional und sozial weiterentwickeln möchten, seien hier Themenbereiche zur Vertiefung empfohlen, die mit der Aufschieberitis in Zusammenhang stehen:

  • Individuelle Verpflichtungen – Von Zeit zu Zeit ist eine Überprüfung der persönlichen Ziele sinnvoll, um zu wissen, wo man steht und ob die Ansprüche noch aktuell sind. Fühlt man sich im Ergebnis überfordert, sollte man die Anforderungen anpassen, zum Beispiel indem man sie in Nah- und Fernziele sowie mittelfristige Ziele unterteilt. Diese Klarheit hilft gleichzeitig, Prokrastination zu vermeiden.
  • Zielgerichtetheit und Gradlinigkeit – Ein Mensch ist verschiedenen Sozialsystemen mit ihren Normen und Werten zugehörig. Bei Prokrastination handelt es sich zwar in erster Linie um eine eigene Einordnung, gleichzeitig wirken auf den Menschen aber auch Außenbewertungen ein, wenn er gesellschaftlich oder familiär anerkannte Lebensziele verinnerlicht und diesen folgt. Ein berufliches Ausprobieren im Sabbatjahr kann von anderen Personen als Prokrastination eingeordnet werden. Wichtig ist, dass ein Mensch bei sich selbst bleibt und äußere Kommentare als Anregungen betrachtet.
  • Perfektionismus – Bin ich ein Perfektionist? Wenn ja: Welche Vorteile bringt es mir? Eine Übung gegen das Prokrastinieren liegt darin, statt anvisierter 120 Prozent sehr gute 100 oder gute 80 Prozent Leistung zu erbringen.
  • Meine Rolle im Arbeitsteam und mein Aufgabenbereich – Stehe ich da, wo ich stehen möchte? Oder übernehme ich mehr Aufgaben, als ich bewältigen kann?
  • Mein Fokus auf neue Aufgaben – Sehe ich sie als interessante Herausforderung? Oder überfordern sie mich? Woran kann das liegen?

Fazit:

Die Prokrastination ist komplex. Ein Mensch kann ihr auf jeder Stufe des Fortschreitens entgegenwirken: mit Bewusstsein, Arbeitsstruktur, Prioritätensetzung und zwischenmenschlichem Austausch. Auch wenn sie Krankheitswert erreicht, kann man sie mit Selbsthilfe, Trainings oder Coaching überwinden. Das Positive an der Aufschieberitis ist, dass sie ein Anlass ist, sich persönlich weiterzuentwickeln.

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