Autotelisches Selbst

Definition:

Das autotelische Selbst ist ein Konzept, das von Mihaly Csikszentmihalyi geprägt wurde, um Menschen zu beschreiben, die intrinsisch motiviert und selbstbestimmt leben. Der Begriff setzt sich aus den griechischen Wörtern autos (Selbst) und telos (Ziel) zusammen und bezeichnet ein Selbst, das sich selbst Ziele setzt und diese verfolgt, ohne auf äußere Belohnungen angewiesen zu sein. Menschen mit einem autotelischen Selbst finden Erfüllung und Glück im Prozess ihrer Tätigkeiten und nicht allein im Erreichen eines Ergebnisses.

Ursprung und Theoretischer Hintergrund

Das Konzept des autotelischen Selbst stammt aus der Flow-Theorie von Mihaly Csikszentmihalyi. Diese beschreibt Zustände des völligen Aufgehens in einer Tätigkeit, die als intrinsisch belohnend erlebt werden. Das autotelische Selbst ermöglicht es Menschen, sich flexibel an wechselnde Herausforderungen anzupassen, Sinn in ihren Handlungen zu finden und unabhängig von äußeren Umständen glücklich zu sein. Csikszentmihalyi betonte, dass Menschen mit einem autotelischen Selbst oft Eigenschaften wie Kreativität, Neugier, Resilienz und die Fähigkeit zur Selbstreflexion besitzen. Sie können den Herausforderungen des Lebens aktiv begegnen und Freude an der Bewältigung dieser Herausforderungen finden.

Anwendungsbeispiele

  • Im Coaching:

    Ein Coach unterstützt Klienten dabei, ihre intrinsischen Werte und Ziele zu identifizieren und ein Leben zu gestalten, das nicht von äußeren Anerkennungen, sondern von innerer Erfüllung geprägt ist.

  • In der Therapie:

    Ein Therapeut arbeitet mit einem Klienten, der sich in Abhängigkeit von äußerer Anerkennung gefangen fühlt, und fördert die Entwicklung eines autotelischen Selbst durch Selbstreflexion und die Identifikation persönlicher Ziele.

  • Im Alltag:

    Eine Person genießt die Tätigkeit des Malens nicht wegen der Anerkennung anderer, sondern weil sie Freude daran hat, kreativ zu sein und sich selbst auszudrücken.

  • In der Persönlichkeitsentwicklung:

    Eine Führungskraft lernt, den Fokus von äußeren Erfolgsmaßstäben (z.B. Status oder Gehalt) auf innere Werte wie persönliche Entwicklung und die Schaffung positiver Veränderungen zu lenken.

Einsatzbereiche

  • Persönlichkeitsentwicklung: Förderung von intrinsischer Motivation und Sinnfindung.
  • Coaching: Unterstützung bei der Identifikation und Verfolgung selbstgewählter Ziele.
  • Therapie: Arbeit mit Menschen, die sich in Abhängigkeit von äußeren Belohnungen oder Erwartungen gefangen fühlen.
  • Bildung: Förderung autotelischer Eigenschaften wie Neugier und Kreativität bei Lernenden.
  • Führung: Entwicklung von Führungskräften, die Mitarbeiter durch Sinnorientierung inspirieren.

Methoden und Übungen

  • Reflexion persönlicher Werte:

    • Lasse die Person ihre wichtigsten Werte und intrinsischen Ziele definieren.
    • Frage: „Welche Tätigkeiten geben Dir das Gefühl von Sinn und Erfüllung, unabhängig von äußeren Belohnungen?“
  • Flow-orientierte Aktivitäten:

    • Führe die Person in Tätigkeiten ein, die sie in einen Flow-Zustand versetzen.
    • Identifiziere die Bedingungen, unter denen Flow am häufigsten erlebt wird (z.B. klare Ziele, eine Balance zwischen Herausforderung und Fähigkeiten).
  • Unabhängigkeit von äußeren Belohnungen:

    • Unterstütze die Person dabei, äußere Erwartungen loszulassen und sich auf den Prozess anstatt auf das Ergebnis zu konzentrieren.
  • Tagebuch für intrinsische Motivation:

    • Lasse die Person regelmäßig notieren, welche Aktivitäten ihr Freude bereiten und warum.
  • Selbstregulation fördern:

    • Übe mit der Person Techniken, um Stress zu bewältigen und flexibel auf Herausforderungen zu reagieren, ohne von äußeren Umständen abhängig zu sein.

Synonyme oder verwandte Begriffe

  • Intrinsische Motivation
  • Flow-Erleben
  • Selbstbestimmtes Leben

Abgrenzung:

Das autotelische Selbst unterscheidet sich von einem durch äußere Belohnungen oder soziale Erwartungen gesteuerten Selbst. Während extrinsische Motivation von äußeren Faktoren abhängt, liegt der Fokus des autotelischen Selbst auf innerer Zufriedenheit und Selbstbestimmung.

Wissenschaftlicher oder praktischer Nutzen

  • Individuell: Menschen mit einem autotelischen Selbst erleben mehr Zufriedenheit und Resilienz, da sie unabhängig von äußeren Umständen ihre Erfüllung im Handeln selbst finden.

  • Praktisch: Fördert eine gesunde, selbstbestimmte Lebensweise und unterstützt Menschen dabei, Herausforderungen als Möglichkeiten zur persönlichen Entwicklung zu sehen.

Wissenschaftliche Grundlage:

Csikszentmihalyis Forschung zur Flow-Theorie zeigt, dass intrinsische Motivation und der Fokus auf selbstgewählte Ziele eng mit einem glücklichen und erfüllten Leben verbunden sind.

Kritik oder Einschränkungen

  • Individuelle Unterschiede: Nicht jeder Mensch kann oder will sich ausschließlich auf intrinsische Ziele konzentrieren; äußere Belohnungen spielen in vielen Kontexten eine wichtige Rolle.

  • Balance erforderlich: Ein autotelisches Selbst kann riskieren, soziale oder materielle Bedürfnisse zu vernachlässigen, wenn es sich ausschließlich auf innere Ziele konzentriert.

  • Schwierigkeit der Umsetzung: Der Übergang von extrinsisch motivierten zu intrinsisch motivierten Handlungen kann zeitaufwändig und herausfordernd sein.

Literatur- und Quellenhinweise

Csikszentmihalyi, M. (1990). Flow: The Psychology of Optimal Experience. Harper & Row. Deci, E. L., & Ryan, R. M. (1985). Intrinsic Motivation and Self-Determination in Human Behavior. Springer, Heidelberg. Seligman, M. E. P. (2011). Flourish: A Visionary New Understanding of Happiness and Well-being. Atria Books.

Metapher oder Analogie

Stell Dir vor, ein autotelisches Selbst ist wie eine Kerze, die von innen heraus leuchtet. Sie benötigt keinen äußeren Strom, um zu brennen, sondern schöpft ihre Energie aus sich selbst und erhellt so den Weg zu einem erfüllten Leben.