Kognitive Psychologie (Lat. cognoscere = erkennen, wissen)
Definition
Die kognitive Psychologie ist ein Teilbereich der Psychologie, der sich mit den inneren Informationsverarbeitungsprozessen des Menschen beschäftigt – insbesondere mit Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Denken, Problemlösen, Entscheidungsfindung und Sprache.
Im Kontext des NLP ist die kognitive Psychologie vor allem durch die sogenannte Computer-Metapher des Geistes bedeutsam: Sie beschreibt mentale Prozesse als Verarbeitung von Informationen, vergleichbar mit den Prozessen eines Computers, in dem Daten gespeichert, verarbeitet und „ausgegeben“ werden.
Diese Sichtweise liefert die theoretische Grundlage für zentrale NLP-Konzepte wie:
- Repräsentationssysteme (interne Codes)
- Strategien (als kognitive Ablaufmuster)
- Ankern (als assoziative Verknüpfung)
- Submodalitäten (Feinstruktur kognitiver Repräsentation)
Ursprung und Theoretischer Hintergrund
Die kognitive Psychologie entwickelte sich ab den 1950er Jahren als Gegenbewegung zur Behaviorismus-Dominanz. Wichtige Wegbereiter waren u. a.:
- Ulric Neisser (Cognitive Psychology, 1967)
- George A. Miller (Informationsverarbeitung und „Magical Number Seven“)
- Allen Newell & Herbert A. Simon (künstliche Intelligenz und Problemlöseforschung)
Die Computer-Metapher des Geistes prägte die Disziplin: Das Gehirn entspricht der Hardware, der Geist ist das Programm – kognitive Prozesse werden als Rechenoperationen beschrieben.
Für das NLP wurde diese Analogie durch Richard Bandler, John Grinder und später besonders durch Robert Dilts übernommen. NLP betrachtet das menschliche Denken und Verhalten als „programmierbar“ – im Sinne von modellierbaren, strukturierbaren und veränderbaren Abläufen.
Anwendungsbeispiele
- Strategiemodellierung (NLP): Wie denkt ein kreativer Mensch? Welche kognitiven Schritte durchläuft er? Diese Prozesse können mithilfe kognitiver Analyse sichtbar und trainierbar gemacht werden.
- Gedächtnisarbeit: NLP-Techniken greifen auf kognitive Modelle zurück, z.B. bei der Arbeit mit inneren Bildern (visuelle Submodalitäten) zur Verbesserung der Merkfähigkeit.
- Metaprogramme: Diese beschreiben kognitive Filter- und Denkstile, die auf Annahmen der kognitiven Informationsverarbeitung beruhen.
- Reframing: Veränderung kognitiver Bewertungsmuster zur Neubewertung von Situationen.
Einsatzbereiche
- Coaching: Analyse und Optimierung kognitiver Entscheidungs- und Denkmuster
- Lerncoaching: Anwendung von Strategien zur Informationsverarbeitung
- Therapie: Veränderung dysfunktionaler Kognitionen (ähnlich der kognitiven Verhaltenstherapie)
- Führungskräftetraining: Erkennen und Nutzen kognitiver Denkstile (Metaprogramme)
- Kommunikationstraining: Reflexion sprachlicher Strukturen auf Basis kognitiver Muster
Methoden und Übungen
-
Kognitive Strategieanalyse (TOTE-Modell):
Erhebung von inneren Abläufen – Test → Operate → Test → Exit – zur Beschreibung, wie jemand ein Ziel kognitiv verfolgt.
-
Submodalitätenarbeit:
Feinanalyse und Veränderung innerer Repräsentationen zur Veränderung von Bedeutungszuweisungen (z.B. durch Helligkeit, Abstand, Lautstärke).
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Reframing:
Technik zur Umdeutung von Bedeutungen, basiert auf der Veränderung kognitiver Rahmenbedingungen.
-
Chunking:
Kognitives Strukturieren von Informationen in größere oder kleinere Einheiten (Generalisierung oder Spezifizierung).
Synonyme und Verwandte Begriffe
- Synonyme:
- Informationsverarbeitungspsychologie
- Denkpsychologie
- Verwandte Begriffe im NLP-Kontext:
- Strategie: Abfolge kognitiver Schritte zur Zielerreichung
- Meta-Programme: Kognitive Filter und Verarbeitungsvorlieben
- Submodalitäten: Kognitive Codierung von Erfahrung
- Modellierung: Erfassung kognitiver Muster bei erfolgreichen Menschen
Abgrenzung
Im Unterschied zur behavioristischen Psychologie betont die kognitive Psychologie das „innere Erleben“ – was im NLP durch subjektive Erfahrung und Repräsentationssysteme operationalisiert wird.
Wissenschaftlicher oder praktischer Nutzen
-
Praktischer Nutzen:
- Strukturierte Analyse von Denk- und Entscheidungsprozessen
- Grundlage für gezielte Veränderung mentaler Strategien
- Verbesserung von Lernprozessen, Gedächtnis und Problemlösungsfähigkeiten
- Brücke zwischen NLP und wissenschaftlich anerkannten psychologischen Modellen
-
Wissenschaftlich:
Die kognitive Psychologie ist ein international etabliertes Fachgebiet mit einem breiten Forschungsfundament. Sie bietet dem NLP einen metatheoretischen Rahmen, auch wenn NLP selbst nicht durchweg empirisch verifiziert ist.
Kritik oder Einschränkungen
- Reduktionismus: Die Computer-Metapher des Geistes vernachlässigt emotionale, körperliche und soziale Aspekte menschlichen Erlebens.
- Mechanistisches Weltbild: Kritiker sehen in der kognitiven Psychologie eine zu stark rationalisierte Sicht auf das Denken.
- Begrenzte Integration von Körpererleben: Erst neuere Richtungen wie Embodied Cognition schließen den Körper wieder als Mitakteur mit ein – was wiederum von körperorientierten NLP-Formaten berücksichtigt wird.
Literatur- und Quellenhinweise
- Neisser, U. (1967). Cognitive psychology. Appleton-Century-Crofts.
- Miller, G. A. (1956). The magical number seven, plus or minus two: Some limits on our capacity for processing information. Psychological Review, 63(2), 81–97. https://doi.org/10.1037/h0043158
- Damasio, A. (1994). Descartes’ error: Emotion, reason, and the human brain. Putnam.
- Dilts, R., & Epstein, T. (1992). Dynamic learning. Meta Publications.
- Strube, G. (1996). Die Computer-Metapher in der Kognitionspsychologie. In F. Klix & P. J. Dörner (Hrsg.), Leistung und Lernen (S. 91–106). Pabst Science Publishers.
- Ardui, J., & Wrycza, A. (1994). NLP: Die neue Technologie der Kommunikation. Junfermann.
Metapher oder Analogie
Der Mensch als Computer
Das Gehirn ist wie ein Rechner: Informationen werden aufgenommen (Input), verarbeitet (Processing), gespeichert (Memory) und schließlich in Verhalten umgesetzt (Output). NLP nutzt diese Struktur, um „Programme“ zu erkennen – und zu verändern.
Das Betriebssystem des Denkens
Die kognitive Psychologie liefert die Grundlagen dafür, wie wir denken. NLP greift darauf zurück, um diese mentalen Programme bewusst zu machen, zu modifizieren und zu optimieren – vergleichbar mit einem Update eines inneren Betriebssystems.