Kongruenz (lat. congruere = „übereinstimmen“)
Definition
Kongruenz bezeichnet im NLP die Übereinstimmung aller inneren und äußeren Anteile einer Person in einem bestimmten Kontext. Eine Person ist dann kongruent, wenn ihre Gedanken, Gefühle, Absichten, Körpersprache und sprachlichen Aussagen miteinander harmonieren.
Im Gegensatz dazu steht Inkongruenz, bei der unterschiedliche „Teile“ oder Kanäle widersprüchliche Signale aussenden.
Kongruenz ist ein Zustand innerer Kohärenz, Integrität und stimmiger Kommunikation, sowohl mit sich selbst als auch mit anderen.
„Wenn alle Teile einer Person in Bezug auf ihr Verhalten im Einklang stehen, ist diese Person kongruent.“ – (Robert Dilts)
Ursprung und Theoretischer Hintergrund
Der Begriff geht zurück auf Gregory Bateson, der in seinen Arbeiten zur Kommunikation zwischen dem Inhaltsaspekt (verbale Botschaft) und dem Beziehungsaspekt (nonverbale Begleitbotschaft) unterschied. Inkongruenz entsteht, wenn diese Ebenen widersprüchliche Informationen senden.
Richard Bandler und John Grinder erweiterten Batesons Modell: Sie lehnten die Vorstellung eines hierarchischen Meta-Kommentars ab und führten den Begriff der Para-Botschaften ein – gleichrangige Signale über verschiedene Outputkanäle. Diese können sich widersprechen, was auf innere Konflikte oder unintegrierte Teile hinweist.
Jeder „Teil“ wird im NLP als Ressource betrachtet, die eine positive Absicht verfolgt. Ziel ist die Integration dieser Teile hin zu einem kongruenten Ganzen.
Anwendungsbeispiele
- In einem Coachinggespräch sagt ein Klient: „Ich freue mich auf die Präsentation“, wirkt aber nervös, vermeidet Blickkontakt und spricht zögerlich. Der Coach erkennt Inkongruenz und hinterfragt: „Ein Teil von dir freut sich – gibt es vielleicht auch einen Teil, der sich sorgt?“
- In der Therapie nutzt der Therapeut den Hinweis auf inkongruente Körpersprache, um verdeckte Glaubenssätze aufzudecken und innere Anteile ins Bewusstsein zu holen.
- Im Teamtraining wird Kongruenz gezielt geübt, indem Führungskräfte lernen, ihre Worte, Körpersprache und Handlungen in Einklang zu bringen, um glaubwürdig zu wirken.
Einsatzbereiche
- Therapie: Integration innerer Konflikte und Erreichen emotionaler Klarheit
- Coaching: Auflösung innerer Ambivalenzen in Entscheidungsprozessen
- Führungskräftetraining: Entwicklung authentischer, klarer Kommunikation
- Persönlichkeitsentwicklung: Aufbau eines stimmigen Selbstbildes
- Konfliktlösung: Erkennen von verdeckten Motiven hinter widersprüchlichen Aussagen
Kongruenz ist oft das Ziel von Veränderungsprozessen – z.B. bei der Teilearbeit, beim Ankern ressourcenreicher Zustände oder bei der Zielklärung im Coaching.
Methoden und Übungen
- Teilemodell / Teile-Integration: Konfliktparteien im Inneren dialogisieren lassen, mit dem Ziel einer Kooperation oder Synthese.
- Meta-Position: Beobachtung eigener Teile aus einer neutralen Perspektive.
- Kongruenz-Check: In einer bestimmten Entscheidungssituation prüfen: Sind Körperhaltung, Stimme, Worte und Gefühl im Einklang?
- Timeline-Arbeit: Inkongruente Vergangenheitserfahrungen transformieren.
- Reimprinting: Veränderung früherer innerer Muster, um kohärente Selbstbilder zu entwickeln.
Beispielübung – Körpersignale bewusst machen:
- Den Satz „Ich bin bereit für die Veränderung“ laut aussprechen.
- Auf Körpersignale, Stimme, innere Resonanz achten.
- Bei innerem Widerstand den Teil, der zögert, ansprechen.
- In den Dialog gehen: Was braucht dieser Teil, um „Ja“ zu sagen?
Synonyme und Verwandte Begriffe
Synonyme:
- Stimmigkeit
- Authentizität
- Kohärenz
- innere Einheit
Verwandte Begriffe:
- Inkongruenz
- Teilearbeit
- Rapport (als Ausdruck kongruenter Beziehung)
- Meta-Position
- Ökologie-Check
Abgrenzung:
Kongruenz ist nicht gleichzusetzen mit Durchsetzungskraft oder Emotionalität. Auch ein leiser, zurückhaltender Mensch kann hochgradig kongruent kommunizieren.
Wissenschaftlicher oder praktischer Nutzen
Praktischer Nutzen:
- Erhöht Glaubwürdigkeit und Vertrauen in Kommunikation
- Unterstützt Selbstführung und Zielklarheit
- Fördert die Integration innerer Anteile → psychische Stabilität
- Grundlage für wirksame Veränderungsarbeit im NLP
Wissenschaftlich:
Zwar gibt es keine NLP-spezifischen empirischen Studien zur Kongruenz, jedoch belegen Forschung zur nonverbalen Kommunikation (z.B. von Albert Mehrabian), dass Übereinstimmung zwischen verbalen und nonverbalen Botschaften zentral für den Erfolg sozialer Interaktionen ist.
Kritik oder Einschränkungen
- Subjektivität der Bewertung: Was als kongruent wirkt, kann kulturell oder individuell unterschiedlich interpretiert werden.
- Gefahr der Überinterpretation: Nicht jede feine Körpersignalabweichung bedeutet Inkongruenz – Menschen sind komplex.
- Vereinfachung: Die NLP-Vorstellung von „Teilen“ im Inneren ist ein nützliches Modell, aber kein wissenschaftlich fundiertes psychologisches Konzept im engeren Sinn.
- Missbrauchspotenzial: Unreflektiertes "Labeln" von Gesprächspartnern als inkongruent kann manipulativ wirken.