Kontext-Reframing / Kontext-Umdeutung (context reframing; „frame“ = Rahmen, „reframe“ = neu einrahmen)
Definition
Kontext-Reframing ist eine spezifische Technik des Reframings im NLP. Dabei wird ein als problematisch oder negativ bewertetes Verhalten, eine Eigenschaft oder Reaktion in einen anderen Kontext gestellt, in dem es funktional, angemessen oder sogar wertvoll erscheint.
Das Ziel ist es, durch diese Umdeutung eine neue Perspektive auf das Verhalten zu eröffnen und es nicht zu verändern, sondern neu zu bewerten. Das führt oft zu mehr Akzeptanz, Integration und erweiterten Handlungsmöglichkeiten.
Ursprung und Theoretischer Hintergrund
Das Reframing-Konzept stammt aus der systemischen Familientherapie, u. a. von Virginia Satir, Gregory Bateson und Paul Watzlawick. Im NLP wurde es von Bandler und Grinder übernommen und weiterentwickelt.
In ihrem Werk Reframing – Neuinterpretation von Realität (1982) differenzieren sie zwischen verschiedenen Reframing-Typen – unter anderem das Kontext-Reframing.
Grundannahmen im NLP:
- Verhalten hat in einem bestimmten Kontext immer eine positive Funktion.
- Probleme entstehen oft durch Generalisierungen, die eine Verhaltensweise in allen Kontexten als schlecht bewerten.
- Die Bedeutung eines Verhaltens ergibt sich nicht aus sich selbst heraus, sondern aus dem Rahmen, in den es eingebettet ist.
Anwendungsbeispiele
- Ein Kind gilt als „rebellisch“ – doch in einem Kontext wie Zivilcourage oder Selbstschutz kann diese Eigenschaft sehr wertvoll sein.
- Ein Mitarbeiter wird als „pedantisch“ kritisiert – im Kontext der Qualitätssicherung ist dies hingegen eine Stärke.
- Eine Person hält sich für „zu sensibel“ – im Kontext zwischenmenschlicher Feinfühligkeit ist dies eine Ressource.
Der Coach oder Therapeut wechselt aktiv den Kontext, um die gleiche Eigenschaft in einem neuen Licht erscheinen zu lassen.
Einsatzbereiche
- Therapie: Um problematische Selbstbewertungen aufzulösen
- Coaching: Zur Förderung von Selbstakzeptanz und Ressourcenorientierung
- Führungskräfteentwicklung: Um Teammitglieder oder sich selbst differenzierter zu sehen
- Paarberatung: Zur Entschärfung von Konflikten durch veränderte Wahrnehmung
- Persönlichkeitsentwicklung: Für den Umgang mit inneren Anteilen oder vermeintlichen „Schwächen“
Methoden und Übungen
Typisches Vorgehen beim Kontext-Reframing:
- Identifikation der problematischen Eigenschaft oder des Verhaltens
→ z.B. „Ich bin zu kontrollierend.“
- Generaliserung erkennen
→ „Ich bin immer so.“
- Frage nach einem Kontext, in dem die Eigenschaft nützlich ist:
→ „Wann ist Kontrolle hilfreich?“
- Integration dieser neuen Sichtweise:
→ „Also ist Kontrolle auch eine Stärke – unter bestimmten Bedingungen.“
Beispielübung: „Kontext-Wechsler“
- Schreibe eine Eigenschaft auf, die Du an Dir ablehnst.
- Überlege, in welchen Situationen genau diese Eigenschaft hilfreich wäre.
- Notiere mindestens drei Kontexte, in denen sie eine Stärke ist.
- Lies Dir die neue Sicht bewusst vor.
Synonyme und Verwandte Begriffe
Synonyme:
- Umdeutung des Kontextes
- Kontext-Neurahmung
- Neue Rahmung einer Bewertung
Verwandte Begriffe:
- Reframing (Oberbegriff)
- Bedeutungs-Reframing
- 6-Step-Reframing
- Teile-Arbeit
- Ressourcen-Orientierung
Abgrenzung:
Im Gegensatz zum Bedeutungs-Reframing bleibt beim Kontext-Reframing die Eigenschaft gleich, der Kontext wird verändert. Beim Bedeutungs-Reframing hingegen wird der Sinn bzw. die emotionale Bewertung desselben Kontexts verändert.
Wissenschaftlicher oder praktischer Nutzen
Praktischer Nutzen:
- Führt zu mehr Selbstakzeptanz
- Ermöglicht Verständnis statt Ablehnung
- Erweitert die Perspektivenvielfalt
- Erleichtert den Zugang zu verborgenen Ressourcen
Beispiel aus der Praxis:
In einem Coaching-Prozess wird ein „übervorsichtiges“ Verhalten als hinderlich für Karriereziele erkannt. Durch Kontext-Reframing erkennt der Klient, dass seine Vorsicht im Umgang mit Risiken im finanziellen Bereich (z.B. Investitionen) ein großer Vorteil ist.
Wissenschaftlich:
Reframing-Methoden werden u. a. im lösungsorientierten Coaching, in der systemischen Therapie und in der kognitiven Verhaltenstherapie angewendet. Auch der therapeutische Einsatz von Narrativen (Erzählstrukturen) zur Bedeutungsänderung basiert auf ähnlichen Wirkprinzipien.
Kritik oder Einschränkungen
- Vereinfachungsgefahr: Wenn das Reframing zu schnell oder oberflächlich erfolgt, kann es wie eine Beschönigung wirken.
- Nicht immer angebracht: In traumatischen oder hochsensiblen Themen muss behutsam mit Umdeutungen gearbeitet werden.
- Zugänglichkeit: Manche Klientinnen und Klienten haben Schwierigkeiten, sich auf Perspektivwechsel einzulassen – in diesen Fällen helfen Vorerfahrungen mit Meta-Positionen.
Literatur- und Quellenhinweise
- Bandler, R., & Grinder, J. (2010). Reframing: Neurolinguistisches Programmieren und die Transformation von Bedeutung (Übers. T. Kierdorf). Junfermann Verlag.
- Cameron-Bandler, L. (1978). They lived happily ever after: Methods for achieving happy endings in coupling. Meta Publications.
- Dilts, R. (1990). Changing Belief Systems with NLP. Meta Publications, Capitola.
- Watzlawick, P. (1976). Anleitung zum Unglücklichsein. Piper Verlag.
- Hall, L. M. (2000). Secrets of personal mastery: Advanced techniques for accessing your higher levels of consciousness. Crown House Publishing.
- Gilligan, S. G. (1987). Therapeutic trances: The cooperation principle in Ericksonian hypnotherapy. Brunner/Mazel.