Kritik (griech. kritikē téchnē = die Kunst des Beurteilens)

Definition

Im NLP-Kontext bezeichnet Kritik ein Kommunikationsmuster, bei dem eine Person oder ein Verhalten negativ bewertet wird. NLP unterscheidet dabei zwischen Kritik, die sich auf Verhalten bezieht, und abwertender Kritik auf der Identitäts-Ebene, die das Selbstbild eines Menschen angreift.

Während Feedback im NLP wertfrei und zielorientiert gegeben wird, zielt Kritik im alltäglichen Sprachgebrauch oft auf Schuldzuweisung oder Herabsetzung – was zu Abwehr, Scham oder Rückzug führen kann. Das NLP strebt stattdessen eine Trennung von Verhalten und Identität an, um Kommunikation konstruktiv und ressourcenorientiert zu gestalten.

Ursprung und Theoretischer Hintergrund

Die Unterscheidung zwischen Verhaltens- und Identitätsebene stammt aus dem Modell der logischen Ebenen von Robert Dilts, das auf Gregory Batesons Arbeiten aufbaut. In der NLP-Kommunikation wird großer Wert darauf gelegt, Rückmeldungen so zu formulieren, dass sie nicht die Person als Ganzes bewerten, sondern nur deren Verhalten in einem bestimmten Kontext.

Die konstruktive Kritik im NLP ist verwandt mit den Prinzipien der gewaltfreien Kommunikation (GFK) nach Marshall Rosenberg sowie mit Kommunikationsmodellen von Schulz von Thun (Vier-Seiten-Modell) und Paul Watzlawick (Metakommunikation).

Anwendungsbeispiele

  • In einem Coachingprozess beschreibt ein Klient, dass sein Chef ihn „immer wieder runtermacht“. Auf Nachfrage wird deutlich: Die Kritik bezieht sich nicht nur auf das Verhalten, sondern auf den Charakter („Sie sind unfähig“). NLP hilft hier, die Ebenen zu trennen und Rückmeldung umzudeuten.
  • Eine NLP-Trainerin gibt einem Teilnehmer Feedback: „Dein Redebeitrag war sehr schnell – wenn Du etwas langsamer sprichst, erreichst Du vielleicht mehr Zuhörer.“ Sie vermeidet Aussagen wie: „Du redest immer zu schnell“, die als Kritik auf der Identitätsebene verstanden würden.
  • In der Paarberatung lernen Partner, sich nicht gegenseitig zu kritisieren („Du bist egoistisch“), sondern Beobachtungen und Wünsche zu äußern („Ich wünsche mir, dass Du mir zuhörst, wenn ich über meinen Tag spreche“).

Einsatzbereiche

  • Therapie: Arbeit mit kritischen inneren Stimmen oder dysfunktionalen Glaubenssätzen („Ich bin nicht gut genug“)
  • Coaching: Entwicklung von Feedback-Kompetenz, Selbstfürsorge und Konfliktfähigkeit
  • Führungskräftetraining: Mitarbeitergespräche, Kritikgespräche, Feedbackkultur
  • Persönlichkeitsentwicklung: Stärkung von Selbstwert und Resilienz gegenüber Kritik
  • Konfliktlösung: Transformation destruktiver Kommunikation in wertschätzenden Austausch

Methoden und Übungen

  1. „Kritik als Feedback nutzen“: Eine NLP-Technik, bei der Kritik entemotionalisiert und in verwertbares Feedback umgewandelt wird. Dazu wird gefragt:
    • Was ist konkret beobachtbar?
    • Welches Verhalten war betroffen?
    • Was könnte die positive Absicht sein?
    • Was kann ich lernen oder anpassen?
  2. Reframing kritischer Aussagen: Kritik wird durch Kontext- oder Bedeutungsreframing umgedeutet, z.B. „Sie ist so dominant“ → „Sie übernimmt Verantwortung“.
  3. Teilearbeit mit innerem Kritiker: Der innere Kritiker wird als Teil mit positiver Absicht erkannt und durch Ressourcenarbeit integriert.
  4. „Feedback-Regeln“ trainieren: z.B. Ich-Botschaften, Beschreibung statt Bewertung, Fokus auf Verhalten, zeitnah, konkret, erwünscht.

Synonyme

  • Bewertung
  • Tadel
  • Rückmeldung (allgemein)

Verwandte Begriffe im NLP

  • Feedback – wertneutrale Rückmeldung über Verhalten
  • Reframing – Umdeutung einer Aussage oder Situation
  • Meta-Kommunikation – Kommunikation über die Kommunikation
  • Logische Ebenen – Differenzierung zwischen Verhalten, Fähigkeiten, Glaubenssätzen und Identität

Abgrenzung

Kritik im alltagssprachlichen Sinn wird oft als negativ empfunden und bezieht sich unklar auf Person oder Verhalten. Feedback im NLP ist hingegen ziel- und verhaltensorientiert, beschreibend und ressourcenaktivierend.

Wissenschaftlicher oder praktischer Nutzen

  • Erhöht emotionale Intelligenz im Umgang mit Rückmeldung
  • Stärkt Beziehungen durch wertschätzende Kommunikation
  • Fördert Selbstführung, da eigene Bewertungsmuster reflektiert und verändert werden
  • Verbessert Lernprozesse, wenn Kritik als Lernchance statt Angriff verstanden wird
  • In der Organisationspsychologie ist wertschätzendes Feedback ein zentrales Element von positiver Führung, Lernkultur und psychologischer Sicherheit in Teams

Kritik oder Einschränkungen

  • Kritik wird im NLP teilweise zu stark „umdeklariert“: Nicht jede Form von destruktiver Kommunikation lässt sich in sinnvolles Feedback umwandeln.
  • In autoritären Kontexten kann die Differenzierung zwischen Feedback und Kritik auch als Vermeidung von Verantwortung verstanden werden.
  • Die starke Trennung von Verhalten und Identität wird von manchen psychologischen Schulen als künstlich angesehen, da Selbstkonzepte sehr wohl durch Verhalten geprägt sind.

Literatur- und Quellenhinweise

  • Bandler, R., & Grinder, J. (1975). The Structure of Magic I & II. Science and Behavior Books, Palo Alto.
  • Cameron-Bandler, L. (1992). Gefühle – was sie sind und wie sie funktionieren. Junfermann.
  • Dilts, R. (1990). Changing Belief Systems with NLP. Meta Publications, Capitola.
  • Rosenberg, M. (2001). Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens (4. Aufl.). Junfermann.
  • Andreas, C. & Andreas, S. (1987). Heart of the Mind: Engaging Your Inner Power to Change with NLP. William Morrow and Company, New York.
  • Schulz von Thun, F. (2000). Miteinander reden 1–3. Rowohlt.

Metapher oder Analogie

Kritik ist wie ein Messer. Man kann damit Brot schneiden oder jemanden verletzen. NLP lehrt, wie man das Messer bewusst einsetzt – mit feiner Klinge, nicht mit der Axt.