Laterale Augen-Bewegungen (lat. lateralis = seitlich; engl: Lateral Eye Movements)

Definition

Laterale Augen-Bewegungen sind seitliche Bewegungen der Augen auf horizontaler Ebene, meist in Augenhöhe. Im Neurolinguistischen Programmieren (NLP) werden sie als Zugangs-Hinweise (engl. accessing cues) interpretiert – also als nonverbale Hinweise darauf, wie eine Person gerade intern Informationen verarbeitet. Im NLP-Augenmodell deuten laterale Augenbewegungen typischerweise auf die Aktivierung des auditiven Systems hin:

  • Blick nach links → Zugriff auf auditiv erinnerte Inhalte (z.B. „Wie klang ihre Stimme damals?“)
  • Blick nach rechts → Zugriff auf auditiv konstruierte Inhalte (z.B. „Wie würde es klingen, wenn…?“)

Diese Zuordnung basiert auf der Annahme, dass bestimmte Denkmuster mit spezifischen Augenbewegungen korrespondieren, wobei individuelle Abweichungen möglich sind.

Ursprung und Theoretischer Hintergrund

Die systematische Beobachtung von Augenbewegungen geht auf frühe NLP-Experimente in den 1970er Jahren zurück, insbesondere auf die Arbeit von Richard Bandler und John Grinder. Sie stellten fest, dass Augenbewegungen Aufschluss über die bevorzugten Repräsentationssysteme einer Person geben können (visuell, auditiv, kinästhetisch etc.).

Die Einteilung in verschiedene Richtungen wurde im sogenannten Augenbewegungsmodell formalisiert. Dabei bilden laterale Augenbewegungen eine zentrale Achse für die Interpretation auditiver Prozesse. Das Modell beruht auf der Idee, dass Denkprozesse sich in subtilen physiologischen Signalen ausdrücken, die lesbar und kalibrierbar sind.

Anwendungsbeispiele

  • Ein Coach beobachtet, dass der Klient während des Nachdenkens über ein Gespräch zur Seite schaut – dies kann auf die Verarbeitung auditiver Informationen hinweisen.
  • In einem Kommunikationstraining analysieren Teilnehmende Videomitschnitte, um laterale Augenbewegungen bei sich und anderen zu erkennen.
  • Ein Therapeut nutzt die Bewegungsmuster, um Rückschlüsse auf die bevorzugten Sinneskanäle eines Klienten zu ziehen, etwa für die Auswahl geeigneter Sprachmuster oder Interventionen.

Einsatzbereiche

  • Therapie: Erkennen von auditiven Erinnerungsspuren bei der Arbeit mit inneren Stimmen oder Glaubenssätzen
  • Coaching: Kalibrieren von Zugangswegen zur inneren Informationsverarbeitung
  • Führungskräftetraining: Sensibilisierung für nonverbale Signale bei Mitarbeitergesprächen
  • Persönlichkeitsentwicklung: Förderung von Bewusstheit über eigene kognitive Prozesse
  • Konfliktlösung: Beobachtung von Reaktionen auf gesprochene Inhalte (z.B. „Was passiert, wenn ich das sage?“)

Methoden und Übungen

  1. Augenbewegungen beobachten: Eine Person denkt an verschiedene Sinneseindrücke (Bild, Klang, Gefühl), während der Partner ihre Augenbewegungen beobachtet.
  2. Kalibrierungstest: Klienten beantworten gezielte Fragen (z.B. „Wie klingt Deine Lieblingsmusik?“), während der Coach notiert, wohin die Augen sich bewegen.
  3. Synchronisation mit Zugangs-Hinweisen: Sprachliche Führung über bevorzugte Kanäle (z.B. „Stell Dir vor, Du hörst...“) in Verbindung mit Beobachtung der Augenbewegung.
  4. Dissoziationsübungen: Nutzen lateraler Augenbewegungen zur Unterstützung von NLP-Techniken wie „Change History“ oder „Fast Phobia Cure“.

Synonyme oder verwandte Begriffe

  • Zugangs-Hinweise (Accessing Cues)
  • Augenbewegungsmodell
  • Auditive Augenpositionen
  • Laterale Blickrichtungen

Abgrenzung

Laterale Augenbewegungen sind nicht zu verwechseln mit diagonalen (z.B. für kinästhetische Zugriffe) oder vertikalen (z.B. visuelle Zugriffe) Blickrichtungen. Auch willkürliche Blickbewegungen müssen von unbewussten Reaktionen unterschieden werden – weshalb Kalibrierung essenziell ist.

Wissenschaftlicher oder praktischer Nutzen

  • Verstehen innerer Prozesse: Laterale Bewegungen geben Hinweise auf auditive Informationsverarbeitung.
  • Verbesserte Kommunikation: Erkennen bevorzugter Sinneskanäle ermöglicht gezieltere Ansprache.
  • Diagnostik & Rapport: Subtile Zeichen erlauben tieferen Einblick in kognitive Strategien.
  • Therapeutische Intervention: Erkennung auditiver innerer Dialoge unterstützt bei Glaubenssatzarbeit.

Empirische Basis: Während die NLP-Augenbewegungstheorie in der klassischen Wissenschaft kontrovers diskutiert wird, zeigen viele NLP-Praktiker in der Anwendung konsistente Beobachtungen. Die Zuverlässigkeit variiert individuell – was Kalibrierung umso wichtiger macht.

Kritik oder Einschränkungen

  • Verallgemeinerungsgefahr: Die Annahme, dass bestimmte Richtungen immer dieselben Prozesse anzeigen, ist zu pauschal.
  • Individuelle Unterschiede: Nicht alle Menschen folgen dem Standardmodell (z.B. Linkshänder, neurodivergente Personen).
  • Mangelnde wissenschaftliche Evidenz: Die NLP-Augenbewegungstheorie wurde mehrfach experimentell hinterfragt oder nicht repliziert.
  • Interpretationsfehler: Falsche Deutung ohne Kalibrierung kann zu Fehlinterpretationen führen.

Literatur- und Quellenhinweise

  • Bandler, R., & Grinder, J. (1979). Frogs into Princes: Neuro Linguistic Programming. Real People Press.
  • Dilts, R. (1990). NLP, Volume I: The study of the structure of subjective experience. Meta Publications.
  • Bandler, R., & Grinder, J. (1975). The Structure of Magic II. Science and Behavior Books, Palo Alto.
  • Andreas, S., & Faulkner, C. (1994). NLP: Handbook. Real People Press, New York.
  • Sharpley, C. F. (1987). Research findings on neurolinguistic programming: Non-supportive data or an untestable theory? Journal of Counseling Psychology, 34(1), 103–107. https://doi.org/10.1037/0022-0167.34.1.103
  • Tosey, P., & Mathison, J. (2009). Neuro-linguistic programming: A critical appreciation for managers and developers. Palgrave Macmillan.

Metapher

Die Augen sind die Fenster zur Gedankenwelt. Wenn man jemanden beim Denken beobachtet, zeigen die Augen, wohin die Gedanken wandern – zur Erinnerung, zur Vorstellung oder zum inneren Dialog.