Lern-Stile (learning styles)

Definition

Im Kontext des NLP meint der Begriff „Lern-Stile“ die individuellen Präferenzen, mit denen Menschen Informationen aufnehmen, verarbeiten, abspeichern und erinnern. Diese Stile sind Ausdruck unterschiedlicher neurologischer Verarbeitungsstrategien und spiegeln sich häufig in bevorzugten Sinneskanälen, Motivationssystemen und kognitiven Abläufen wider.

Es sind keine starren Typologien, sondern flexible Muster, wie Menschen lernen. Sie betreffen sowohl Repräsentationssysteme (visuell, auditiv, kinästhetisch, olfaktorisch, gustatorisch), als auch Lernstrategien (spezifische mentale Sequenzen beim Aufnehmen und Abrufen von Wissen) sowie Meta-Programme (mentale Filter, die Lernprozesse beeinflussen). Ziel ist es, das Lernen effektiver zu gestalten, indem man den bevorzugten Lernstil einer Person erkennt und nutzt.

Ursprung und Theoretischer Hintergrund

Das Konzept individueller Lernstile geht über klassische pädagogische Modelle hinaus (z.B. Kolb, 1984 oder VAK-Modell) und wurde im NLP-Kontext durch Richard Bandler und John Grinder ab den 1970er-Jahren weiterentwickelt. Es basiert auf der Annahme, dass unser inneres Erleben in „repräsentationalen Systemen“ organisiert ist.

Wichtige Erweiterungen lieferten:

  • Robert Dilts (Lernstrategien und Modelling von Exzellenz)
  • Michael Grinder (Lernumgebungen und Unterrichtsstile)
  • Connirae und Steve Andreas (mentale Strategien)

Das NLP stellt nicht eine, sondern viele Perspektiven auf Lernstile bereit – es versteht Lernen als ein prozessuales, bewusst trainierbares Geschehen.

Anwendungsbeispiele

  • Visuelle Lerner bevorzugen Bilder, Diagramme und farbige Notizen. Sie erinnern sich an die „Lage auf dem Blatt“.
  • Auditive Lerner profitieren von Vorträgen, Diskussionen, innerem Dialog oder Reim-Techniken.
  • Kinästhetische Lerner lernen über Bewegung, Handlung, Nachahmung und emotionales Erleben.

NLP-Anwendung: Eine Trainerin erkennt durch genaue Beobachtung (Zugangs-Hinweise, Sprachmuster), dass ein Teilnehmer eine kinästhetische Lernpräferenz hat, und gestaltet daraufhin ein Training mit vielen aktiven Übungen und bewegungsbasiertem Feedback.

Einsatzbereiche

  • Therapie: Ressourcenarbeit und emotionale Integration über bevorzugte Wahrnehmungskanäle.
  • Coaching: Lernblockaden identifizieren und auflösen, z.B. durch Umstrukturierung innerer Strategien.
  • Führungskräftetraining: Passgenaue Kommunikation mit Mitarbeitenden durch Erkennen ihrer Informationsverarbeitungsstile.
  • Persönlichkeitsentwicklung: Entwicklung neuer Lernstrategien oder Bewusstmachen unbewusster Prozesse.
  • Pädagogik: Differenzierter Unterricht auf Basis individueller Lernmuster.
  • Konfliktlösung: Verständnis unterschiedlicher kognitiver Landkarten in Gruppen oder Teams.

Methoden und Übungen

  1. Strategie-Elicitierung: Herausarbeiten individueller mentaler Abläufe z.B. beim Lernen, Erinnern oder Motivieren.
  2. Repräsentationssysteme identifizieren: Durch Sprachmuster, Körpersprache, Augenbewegungen.
  3. Modelling: Erfolgreiche Lernstrategien anderer gezielt übernehmen.
  4. Flexibilisierung: Lernen in nicht-bevorzugten Repräsentationssystemen üben (z.B. auditive Umsetzung eines visuellen Inhalts).
  5. Anker setzen: Ressourcenreiche Lernzustände verankern.
  6. Submodalitäten verändern: Z.B. innere Bilder verkleinern/vergrößern zur besseren Integration.

Synonyme oder verwandte Begriffe

  • Lernpräferenzen
  • Repräsentationssysteme
  • Lernstrategien
  • Wahrnehmungsmodalitäten
  • Meta-Programme (z.B. intern vs. extern referenziert)
  • Informationsverarbeitungsstile

Abgrenzung

Während „Repräsentationssysteme“ spezifisch die sinnliche Wahrnehmung abbilden, meint Lern-Stil im NLP den übergreifenden, oft komplexen Prozess, wie eine Person lernt – inkl. Motivation, Gedächtniszugriff, Entscheidungsmustern usw.

Wissenschaftlicher oder praktischer Nutzen

  • Individualisierung: Lernprozesse können passgenau auf die Lernenden abgestimmt werden.
  • Selbstwirksamkeit: Lernende verstehen ihre Stärken und Schwächen besser.
  • Effizienz: Lernstrategien werden optimiert, Frustration reduziert.
  • Flexibilität: Menschen lernen, über ihren bevorzugten Stil hinaus neue Kanäle zu nutzen.
  • Teamarbeit: Verständnis für unterschiedliche Denk- und Lernweisen fördert Synergie.

Kritik oder Einschränkungen

  • Empirische Schwäche: Die Einteilung in feste Lernstile ist wissenschaftlich umstritten. Studien zeigen, dass Lernleistung weniger vom bevorzugten Stil als von der Art des Inhalts abhängt.
  • Gefahr der Typisierung: Etikettierung („Ich bin visuell.“) kann Selbstbegrenzung fördern.
  • Missverständnisse im NLP: Lern-Stile werden teils zu schematisch gelehrt. NLP sieht sie ursprünglich als strategische Sequenzen, nicht als feste „Typen“.

Literatur- und Quellenhinweise

  • Andreas, S., & Andreas, C. (1989). Change your mind – and keep the change: A practical guide to personal transformation. Real People Press.
  • Dilts, R. (1990). Changing Belief Systems with NLP. Meta Publications, Capitola.
  • Grinder, M. (1991/1993). Righting the Educational Conveyor Belt / Charisma – The Art of Relationships.
  • Cleveland, B. F. (1992). Das Lernen lehren: Erfolgreiche NLP-Unterrichtstechniken. VAK Verlag für Angewandte Kinesiologie.
  • Mayer-Wamos, A. (1994). Fremdsprachen erfolgreich lehren und lernen: Neue Wege mit NLP. Junfermann.
  • Jensen, E. (1988). Whole brain learning: The fine art of educating the whole brain. Turning Point Publishing.
  • Nagel, G., Sindzinski, R., Reese, E. J., & Reese, M. A. (1989). NLP im Unterricht: Neurolinguistisches Programmieren in der Schule. Verlag für Angewandte Kinesiologie.

Metapher

Lernen ist wie Übersetzen in die Sprache deiner inneren Welt. Manche sehen Bilder, andere hören Stimmen, wieder andere fühlen Bewegungen – und alle schreiben ihre eigene Grammatik.