Milton-Modell / Modell hypnotischer Sprachmuster (Milton Model)
Definition
Das Milton-Modell ist ein im NLP entwickeltes Sprachmodell, das auf der hypnotischen Kommunikationsweise von Milton H. Erickson basiert. Es wurde von Richard Bandler und John Grinder in den 1970er Jahren systematisiert, um Ericksons Sprachmuster lehr- und lernbar zu machen.
Das Modell beschreibt eine Vielzahl sprachlicher Muster, die unspezifisch, mehrdeutig oder strukturell offen sind. Diese Muster aktivieren beim Zuhörer unbewusste Prozesse, indem sie transderivationale Suchprozesse auslösen: Der Hörer interpretiert Aussagen individuell auf Basis eigener Erfahrungen. Anders als das Meta-Modell der Sprache, das Präzision und Differenzierung fördert, dient das Milton-Modell der Induktion von Trancezuständen sowie der Umgehung bewusster Abwehrmechanismen.
Ursprung und Theoretischer Hintergrund
- Entwickelt durch Richard Bandler und John Grinder, die Milton H. Erickson modellierten.
- Grundlage: linguistische Analyse (v.a. transformational-generative Grammatik nach Noam Chomsky), angewandt auf Ericksons Sprachgebrauch.
- Ziel: Ericksons therapeutische Sprachmuster für NLP-Anwender zugänglich machen.
- Erickson nutzte Geschichten, Metaphern, Analogien und offene Sprachstrukturen, um das Unbewusste indirekt anzusprechen.
Anwendungsbeispiele
- Therapeutische Tranceinduktion: „Während du diesen Satz liest, merkst du vielleicht schon, wie sich dein Atem beruhigt…“
- Coaching: Geschichten mit offenen Bedeutungsräumen – der Klient füllt Lücken individuell.
- Verkaufsgespräch: Vage Sprache zur positiven Rahmung („Sie spüren, dass das genau zu Ihnen passt…“)
- Pädagogik: Suggestive Sprache zur Selbstwirksamkeit („Vielleicht entdeckst du ja heute noch etwas Spannendes…“)
Einsatzbereiche
- Therapie (Hypnotherapie, systemische Therapie)
- Coaching (Erweiterung von Wahlmöglichkeiten, Zielarbeit)
- Führungskräftetraining (Storytelling, Suggestion)
- Persönlichkeitsentwicklung (Selbsthypnose, Reframing)
- Konfliktlösung (indirekte Kommunikation, Umgehung von Widerständen)
Methoden und Übungen
- Umkehrung des Meta-Modells (unspezifische Sprache)
- Tilgung: „Du kannst dich verändern.“ / „Etwas wird geschehen.“
- Semantische Fehlgeformtheit: Gedankenlesen („Du fragst dich sicher…“), Kausalverknüpfung („Wenn du dieses Buch liest, wirst du ruhiger.“)
- Generalisierung: Universalquantoren („Alle wissen, dass…“), Modaloperatoren („Du musst loslassen.“)
- Weitere hypnotische Sprachmuster
- Eingebettete Befehle: „Es ist gut, wenn du jetzt entspannst.“
- Analoge Markierung (Stimm- oder Pausenbetonung der Suggestion)
- Zitate: „Ein Freund sagte mir einmal…“
- Konversationspostulate: „Kannst du mir bitte helfen?“ (indirekte Steuerung)
- Ambiguitäten (semantisch, syntaktisch, phonologisch)
- Metaphern und Geschichten
- Übung: Suggestivsatz erstellen
Direkt: „Du solltest heute Abend früh schlafen gehen.“
Milton-Modell: „Manchmal merkt man erst am nächsten Tag, wie gut ein früher Schlaf war.“
Synonyme oder verwandte Begriffe
- Hypnotische Sprache
- Indirekte Suggestion
- Erickson’sche Sprachmuster
- Kunstvoll vage Sprache
- Sprachliche Weichzeichnung
Abgrenzung: Nicht zu verwechseln mit dem Meta-Modell, das Präzision anstrebt; das Milton-Modell arbeitet absichtlich mit Mehrdeutigkeit.
Wissenschaftlicher oder praktischer Nutzen
- Praktisch:
- Umgeht bewusste Abwehr
- Aktiviert Kreativität und unbewusste Ressourcen
- Hilfreich bei inneren Widerständen
- Ermöglicht Trancearbeit ohne formale Hypnose
- Wissenschaftlich:
- Praxeologisch gestützt u.a. durch Ericksons therapeutische Praxis
- Forschung zu indirekter Suggestion zeigt positive Effekte auf Verhalten und Befinden
- Einzelne Muster sind empirisch nur begrenzt validiert
Kritik oder Einschränkungen
- Suggestibilität: Risiko manipulativer Nutzung (z.B. Verkauf) ohne Ethikrahmen
- Missverständnisse durch Unspezifizität
- Wissenschaftliche Basis: Modellierung statt strenger Empirie
- Erlernbarkeit erfordert Sprachsensibilität und Verantwortungsbewusstsein
Literatur- und Quellenhinweise
- Bandler, R., & Grinder, J. (1996). Patterns of the hypnotic techniques of Milton H. Erickson, M.D. (Vol. 1). Meta Publications.
- Grinder, J., DeLozier, J., & Bandler, R. (1977). Patterns… (Vol. 2). Meta Publications.
- Erickson, M. H., & Rossi, E. L. (1994). Hypnotherapie. Klett-Cotta.
- Gilligan, S. G. (1991). Therapeutische Trance. Auer.
- Hammond, D. C. (1990). Handbook of Hypnotic Suggestions and Metaphors. W. W. Norton.
- Zeig, J. K. (1988). A Teaching Seminar with Milton H. Erickson, M.D. Brunner/Mazel.
- O’Hanlon, W. H. (1995). Metaphern, die heilen. Junfermann.
Metapher
Das Milton-Modell ist wie ein Zauberstab: Es lässt den Zuhörer träumen, ohne dass er merkt, wie er geführt wird – und führt ihn gerade deshalb dorthin, wo Veränderung beginnt.