Kapazitäten / Fähigkeiten (Capabilities, Skills)
Definition
Im NLP bezeichnet der Begriff **Fähigkeiten** die kognitiven, emotionalen und strategischen Prozesse, die eine Person nutzt, um ein bestimmtes Verhalten auszuführen oder eine Aufgabe zu bewältigen. Fähigkeiten sind nicht direkt beobachtbar, sondern zeigen sich in der Art und Weise, wie jemand denkt, fühlt, entscheidet und seine Ressourcen nutzt.
Fähigkeiten sind auf der logischen Ebene über dem Verhalten angesiedelt (vgl. Dilts' Modell der logischen Ebenen) – sie beantworten die Frage:
„Wie macht jemand das, was er tut?“
Im Gegensatz zum Verhalten (sichtbar) oder den Werten (motivational) beziehen sich Fähigkeiten auf innere Strategien wie:
- Denke ich in Bildern, Tönen, Gefühlen?
- Nutze ich systematisches Vorgehen oder Intuition?
- Greife ich auf innere Zustände wie Neugier, Ruhe, Kreativität zurück?
Ursprung und Theoretischer Hintergrund
Der Begriff Fähigkeit (Capability) wurde im NLP insbesondere durch **Robert Dilts** und seine Arbeit an den **logischen Ebenen (Neurological Levels)** systematisch eingeordnet. In diesem Modell stehen Fähigkeiten oberhalb des Verhaltens und unterhalb von Werten und Identität.
Die Wurzeln des Begriffs im NLP reichen zurück in die frühen Modellierungen von Experten durch Bandler und Grinder, die analysierten, wie jemand denkt oder entscheidet – also auf der Ebene der **inneren Strategien**.
Fähigkeiten werden im NLP nicht als angeboren, sondern als **erlernbare Prozesse** verstanden. Dies steht im Gegensatz zu traditionelleren psychologischen Konzepten, die Fähigkeiten oft mit Intelligenz oder Talent verknüpfen.
Anwendungsbeispiele
- Coaching: Eine Klientin möchte lernen, besser zu präsentieren. Der Coach hilft ihr, eine innere Strategie für Selbstsicherheit, Struktur und Zuhörerbindung zu entwickeln – also **neue Fähigkeiten** aufzubauen.
- Therapie: Ein Klient hat Schwierigkeiten, mit Stress umzugehen. Der Therapeut arbeitet mit NLP-Techniken daran, die Fähigkeit zur **Zustandskontrolle** zu fördern.
- Lerntraining: Ein Schüler lernt, wie er sich mathematische Probleme durch innere Bilder oder Selbstgespräche besser merken kann – eine **kognitive Lernfähigkeit**.
- Führungskräftetraining: Eine Führungskraft entwickelt die Fähigkeit, **empathisch zuzuhören**, indem sie lernt, ihre Wahrnehmung zu fokussieren und die zweite Position einzunehmen.
Einsatzbereiche
- Therapie: Aufbau innerer Ressourcen (z.B. Emotionsregulation, Entscheidungsfähigkeit).
- Coaching: Entwicklung spezifischer Fähigkeiten zur Zielerreichung (z.B. Selbstmotivation, Kreativität, Kommunikation).
- Führungskräftetraining: Förderung sozialer und emotionaler Kompetenzen.
- Lerncoaching: Vermittlung mentaler Strategien zur Informationsverarbeitung.
- Persönlichkeitsentwicklung: Stärkung von Selbststeuerungs- und Handlungskompetenz.
Im NLP werden Fähigkeiten oft in Verbindung mit Strategiearbeit (z.B. TOTE-Modell) oder Submodalitäten trainiert.
Methoden und Übungen
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Modellierung:
Eine bewährte NLP-Technik zur Erlernung von Fähigkeiten. Hierbei wird das Verhalten und die inneren Prozesse eines „Experten“ analysiert und auf andere übertragbar gemacht.
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Strategietraining:
Aufdeckung und Veränderung innerer Denkprozesse mithilfe des **TOTE-Modells** (Test-Operate-Test-Exit):
- Wie erkennst Du, dass Du etwas tun musst?
- Was machst Du innerlich, um zu entscheiden?
- Wann weißt Du, dass es „fertig“ ist?
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Ankern von Fähigkeiten:
Ein gewünschter Zustand (z.B. Klarheit, Mut, Flexibilität) wird durch ein sensorisches Signal **„verankert“**, sodass er bei Bedarf abrufbar ist.
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Submodalitätenarbeit:
Veränderung der inneren Repräsentation (z.B. innere Bilder) zur Verstärkung oder Modifikation einer Fähigkeit (z.B. Entscheidungsfähigkeit verbessern durch Vergrößerung des inneren Bildes einer positiven Wahl).
Synonyme und Verwandte Begriffe
- Synonyme: Kompetenz, innere Strategie, kognitive Fähigkeit, mentale Ressource.
- Verwandte Begriffe:
- **Verhalten:** Sichtbarer Ausdruck einer Fähigkeit; jedoch nicht gleichzusetzen mit der Fähigkeit selbst.
- **Strategie:** Spezifische Abfolge von inneren und äußeren Prozessen, mit der eine Fähigkeit operationalisiert wird.
- **Ressourcen:** Allgemein verfügbare innere Zustände oder Kompetenzen, die zur Aktivierung von Fähigkeiten beitragen.
- **Meta-Programme:** Kognitive Muster, die Einfluss auf die Art und Weise haben, wie Fähigkeiten genutzt werden.
Wissenschaftlicher oder praktischer Nutzen
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Praktischer Nutzen:
- Erhöhte **Selbstwirksamkeit** durch bewussten Aufbau neuer Kompetenzen.
- Verbesserung von Lernprozessen durch individuelle Strategien.
- Stärkung von **Soft Skills** wie Kommunikation, Empathie, Entscheidungsfähigkeit.
- Förderung von Selbstreflexion: Wie „funktioniere“ ich innerlich in bestimmten Situationen?
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Wissenschaftlich:
Zwar ist der Begriff der „Fähigkeit“ im NLP sehr praxisorientiert, aber in der Psychologie bestehen viele Überschneidungen, z.B. mit **kognitiven Schemata**, **Selbstwirksamkeit** (Bandura), Handlungskompetenz oder emotionaler Intelligenz. NLP bietet hier eine strukturierte und trainierbare Sichtweise.
Kritik oder Einschränkungen
- Beobachtbarkeit: Fähigkeiten sind schwer direkt messbar – ihre Existenz wird oft nur indirekt über Verhalten oder Selbstbericht erschlossen.
- Subjektivität der Definition: Was als „Fähigkeit“ gilt, hängt stark vom Kontext und von Modellannahmen ab.
- Vereinfachung: Kritiker bemängeln, dass NLP-Fähigkeiten zu mechanistisch dargestellt würden – komplexe Prozesse könnten dadurch unterschätzt werden.
- Empirische Basis: NLP-Techniken zur Fähigkeitserweiterung sind praktisch wirksam, aber wissenschaftlich nur begrenzt empirisch validiert.
Literatur- und Quellenhinweise
- Dilts, R. (1990). Changing Belief Systems with NLP. Meta Publications, Capitola.
- Dilts, R., & Epstein, T. (1994). Tools for dreamers: Strategies of creativity and the structure of innovation. Meta Publications.
- Hall, L. M. (2001). The User's Manual for the Brain. Crownhouse Publishing, Camarthen.
- Bandura, A. (1997). Self-efficacy: The exercise of control. W. H. Freeman.
Metapher oder Analogie
Der innere Werkzeugkasten: Fähigkeiten sind wie Werkzeuge in einem unsichtbaren Koffer. Jeder Mensch hat einen Werkzeugkasten, aber nicht jeder weiß, welche Werkzeuge er besitzt oder wie er sie einsetzen kann. NLP hilft, den Koffer zu öffnen, zu sortieren – und neue Werkzeuge hinzuzufügen.
Software auf der Hardware des Menschen: Wenn Verhalten die sichtbare Ausgabe (z.B. der Druck einer Seite) ist, sind Fähigkeiten die **dahinterliegende Software** – sie bestimmt, wie etwas ausgeführt wird. Ohne funktionierende Programme (Strategien) bleibt der Drucker still.