Kritische Untereigenschaft / kritische Submodalität
Definition
Kritische Untereigenschaften bezeichnen im NLP eine spezifische Untereigenschaft innerhalb eines Sinneskanals (Repräsentationssystems), deren Veränderung besonders starke Auswirkungen auf das subjektive Erleben hat – sowohl innerhalb desselben Sinneskanals als auch systemübergreifend.
Sie sind jene Aspekte innerer Repräsentationen (wie z.B. Helligkeit, Entfernung, Lautstärke, Temperatur), deren gezielte Veränderung zu einer signifikanten Veränderung des emotionalen Zustands oder der Bedeutung einer Erfahrung führt. Sie wirken wie „Regler“ oder „Hebel“ im mentalen Erleben – kleine Veränderungen an ihnen können große emotionale Reaktionen hervorrufen oder dämpfen.
Beispiel: Wird eine innere Vorstellung eines unangenehmen Bildes heller gemacht und weiter weggeschoben, kann sich das emotionale Empfinden dazu deutlich verändern (weniger intensiv oder neutral).
Ursprung und Theoretischer Hintergrund
Das Konzept stammt aus der Submodalitätsarbeit des NLP, maßgeblich entwickelt durch Richard Bandler in den 1980er Jahren. Es basiert auf der Grundannahme, dass unsere inneren Erfahrungen nicht nur durch was wir denken bestimmt sind, sondern auch durch wie wir etwas erleben – also durch die sensorischen Qualitäten (Submodalitäten) unserer inneren Bilder, Klänge und Körperempfindungen.
Die Entdeckung, dass bestimmte Submodalitäten besonders stark wirken und sogar andere beeinflussen können, führte zur Unterscheidung der kritischen Untereigenschaften. Diese Erkenntnis ist eng mit der kybernetischen Sichtweise des NLP verbunden: kleine Veränderungen auf einer Steuerungsebene bewirken große systemische Effekte.
Anwendungsbeispiele
- Angstreduktion: Ein Klient stellt sich eine stressige Situation in Nahaufnahme und in dunklen Farben vor. Durch das Verändern der Entfernung und Helligkeit (z.B. Bild weiter weg, heller machen) verringert sich seine emotionale Reaktion spürbar.
- Motivationssteigerung: Ein inneres Zielbild wird visuell vergrößert, erhellt und klanglich mit motivierender Musik versehen. Das steigert das Gefühl von Begeisterung und Zugkraft.
- Phobiebehandlung (Fast Phobia Cure): Das innere Bild der angstauslösenden Situation wird in Submodalitäten manipuliert – häufig beginnt man mit kritischen Untereigenschaften wie Größe, Bewegung oder Distanz.
Einsatzbereiche
- Therapie: Veränderung belastender innerer Bilder oder Klänge (z.B. bei Ängsten, Traumata)
- Coaching: Ressourcenaufbau durch Verstärkung positiver innerer Zustände
- Führungskräftetraining: Selbststeuerung in stressreichen Situationen
- Persönlichkeitsentwicklung: Ankern von Erfolgszuständen durch gezielte Submodalitätsarbeit
- Lerntraining: Aufbau von Motivation durch Bild- und Tonveränderung innerer Repräsentationen
Methoden und Übungen
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Finden der kritischen Untereigenschaft
- Der Klient erinnert sich an eine neutrale oder emotional intensive Situation.
- Er beschreibt das Bild in möglichst vielen Submodalitäten (z.B. Helligkeit, Farbe, Entfernung, Größe, Bewegung).
- Eine Submodalität wird verändert (z.B. Bild heller gemacht).
- Der Effekt auf das Erleben wird beobachtet.
- Wird eine Submodalität gefunden, bei der sich viele andere automatisch mitverändern oder das Erleben stark beeinflusst wird → kritische Untereigenschaft identifiziert.
- Swish-Pattern: Diese klassische NLP-Technik basiert auf der Veränderung kritischer Submodalitäten (z.B. Richtung der Bewegung, Größe, Position), um ungewollte Verhaltensimpulse durch gewünschte zu ersetzen.
Synonyme
- Schlüssel-Submodalität
- Schalt-Submodalität
- Hebel-Submodalität
Verwandte Begriffe
- Submodalität
- Repräsentationssystem
- Swish
- Ankern
Abgrenzung
Nicht jede Submodalität ist kritisch. Kritisch sind nur jene, deren Veränderung starke emotionale Effekte bewirken oder systemische Effekte auf andere Submodalitäten auslösen.
Wissenschaftlicher oder praktischer Nutzen
- Effizienzsteigerung in Veränderungsarbeit: Statt lange an Inhalten zu arbeiten, wird das Wie der inneren Erfahrung verändert.
- Schnelle emotionale Transformation: Besonders geeignet bei Ängsten, Blockaden, Motivationsmangel.
- Niedrigschwellige Selbstanwendung: Auch im Selbstcoaching einfach einsetzbar.
- Einige psychologische Modelle (z.B. Embodiment, Imagery Rescripting) lassen sich mit den Konzepten der kritischen Untereigenschaften verbinden, auch wenn sie andere Begrifflichkeiten verwenden.
Kritik oder Einschränkungen
- Fehlende wissenschaftliche Fundierung: Kritische Untereigenschaften sind bislang überwiegend praxisbasiert erforscht; empirische Studien zur Validität fehlen weitgehend.
- Suggestibilität: Die Wirkung kann stark von der Vorstellungskraft und Suggestibilität der Person abhängen.
- Verwechslung mit Inhalten: Unerfahrene Anwender neigen dazu, Inhalte statt sensorische Merkmale zu verändern.
Literatur- und Quellenhinweise
- Bandler, R., & MacDonald, W. (1993). Angewandte Submodalitäten: Die Struktur von Erfahrung und Veränderung. Junfermann.
- Andreas, S., & Andreas, C. (1989). Change your mind – and keep the change: A practical guide to personal transformation. Real People Press.
- Dilts, R. (1990). Changing Belief Systems with NLP. Meta Publications, Capitola.
- Hall, L. M. (1996). Submodalities: An inside view of your mind. Neuro-Semantics Publications.
- James, T., & Woodsmall, W. (1988). Time line therapy and the basis of personality. Meta Publications.
Metapher
Die kritische Untereigenschaft ist wie der Lichtschalter im dunklen Raum. Du musst nicht die ganze Einrichtung umräumen – es reicht, das richtige Licht einzuschalten, damit sich Dein Erleben ändert.