Strategien erkunden / Strategien elizitieren (Elicitation of Strategies)
Definition
Das Erkunden oder Elizitieren von Strategien bezeichnet im NLP den Prozess, bei dem die Abfolge der Aktivierung von Repräsentationssystemen (visuell, auditiv, kinästhetisch etc.) und deren Untereigenschaften innerhalb einer Strategie sichtbar gemacht wird. Dieser Prozess – auch Evokation genannt – dient dazu, die formale Struktur einer Strategie zu erkennen, um sie analysieren, optimieren oder verändern zu können. Dabei werden sprachliche Muster, Augenbewegungen, Zugangs-Hinweise und gezielte Fragen genutzt, um den mentalen Ablauf präzise zu erfassen.
Ursprünge und theoretischer Hintergrund
Das Konzept der Strategie-Elizitation wurde von Robert Dilts und anderen NLP-Mitbegründern entwickelt. Es basiert auf der Annahme, dass mentale Prozesse durch wiederkehrende Sequenzen von Repräsentationen strukturiert sind. Das zugrunde liegende theoretische Modell ist das TOTE-Modell (Test – Operate – Test – Exit), das aus der Kybernetik stammt und beschreibt, wie Menschen innere und äußere Reize in Test- und Handlungszyklen verarbeiten. Ziel der Strategie-Elizitation ist es, diese inneren Abläufe transparent zu machen, um sie gezielt verändern oder modellieren zu können.
Anwendungsbeispiele
- Entscheidungsstrategien: Eine Person sagt: „Ich habe mir Ihren Vorschlag angesehen, darüber nachgedacht und dann entschieden, dass es sich gut anfühlt.“ → visuell erinnert → auditiv intern → kinästhetisch
- Lernstrategien: „Ich habe mir die Aufgabe vorgestellt, sie aufgeschrieben und dann überprüft, ob es richtig aussieht.“ → visuell konstruiert → kinästhetisch → visuell erinnert
- Motivationsstrategien: „Ich stelle mir den Sieg vor, erinnere mich an vergangene Erfolge und bekomme dadurch den Antrieb zu trainieren.“ → visuell konstruiert → visuell erinnert → kinästhetisch
Einsatzbereiche
- Coaching: Analyse und Optimierung von Entscheidungs-, Motivations- und Lernstrategien.
- Therapie: Identifikation hinderlicher mentaler Abläufe, die Ängste oder Blockaden aufrechterhalten.
- Lern- und Trainingsprozesse: Entwicklung effektiver Strategien für Aufnahme und Anwendung von Wissen.
- Führungskräftetraining: Verbesserung von Problemlösungs- und Entscheidungsprozessen in komplexen Situationen.
Methoden und Übungen
- Auf die Sprache achten: Analysiere die verwendeten Prädikate (z. B. sehen, hören, fühlen) und deren Reihenfolge. Beispiel: „Ich habe mir Deinen Bericht angesehen, darüber nachgedacht und hatte das Gefühl, dass er gut ist.“ → visuell erinnert → auditiv intern → kinästhetisch.
- Augenbewegungen beobachten: Beachte die Blickrichtungen, da sie Hinweise auf das aktivierte Repräsentationssystem geben. (z. B. Blick nach oben = visuell, Blick seitlich = auditiv, Blick nach unten = kinästhetisch oder innerer Dialog).
- Zugangs-Hinweise wahrnehmen: Beobachte Gestik, Atmung, Körperhaltung oder Stimmmodulation – sie reflektieren oft unbewusste kognitive Prozesse.
- Gezieltes Nachfragen: Führe die Person durch den Ablauf ihrer inneren Strategie, etwa durch Fragen wie:
- „Was hast Du als Erstes gemacht?“
- „Was hast Du danach gedacht oder gefühlt?“
- „Wie wusstest Du, dass Deine Entscheidung richtig war?“
Synonyme oder verwandte Begriffe
- Strategieanalyse
- Prozessmodellierung
- Evokation von Strategien
Abgrenzung
Im Gegensatz zur Veränderung oder Installation von Strategien konzentriert sich die Strategie-Elizitation ausschließlich auf das Erkennen und Sichtbarmachen der bestehenden Struktur, ohne sie direkt zu beeinflussen. Sie bildet die Grundlage für alle weiteren NLP-Interventionen, die auf Strategiearbeit basieren.
Wissenschaftlicher oder praktischer Nutzen
- Individuell: Strategien bewusst zu machen, fördert Selbstreflexion und ermöglicht gezielte Veränderungen im Denken und Handeln.
- Praktisch: Die Analyse von Strategien steigert Effizienz und Effektivität, da sie präzise Ansatzpunkte für Optimierungen bietet.
- Wissenschaftlich: Die Methode orientiert sich am TOTE-Modell und an Konzepten der kognitiven Psychologie, die mentale Sequenzen als Grundlage menschlichen Verhaltens verstehen.
Kritik oder Einschränkungen
- Wissenschaftliche Validierung: Die Methode basiert überwiegend auf Beobachtungen und subjektiven Interpretationen, was ihre empirische Fundierung einschränkt.
- Anwenderabhängigkeit: Die Qualität der Elizitation hängt stark von der Erfahrung, Sensibilität und Fragetechnik des Anwenders ab.
Literatur- und Quellenhinweise
- Dilts, R. (1994). Strategies of Genius I. Meta Publications, Santa Cruz.
- Weerth, M. (1994). NLP: Struktur und Praxis. Hogrefe, Göttingen.
- Mohl, A. (1993). NLP in der Praxis. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen.
Metapher oder Analogie
Das Erkunden einer Strategie ist wie das Entwirren eines Wollknäuels
Jeder Faden steht für einen einzelnen Schritt im Denk- oder Entscheidungsprozess. Wenn man die Fäden behutsam verfolgt, wird die verborgene Struktur sichtbar – man erkennt, wie die Gedanken miteinander verknüpft sind und wo sie sich vielleicht verheddern. So lässt sich der Weg von der ersten Wahrnehmung bis zur Handlung klar nachvollziehen.