Coaching-Welt → Wissen → Coaching Tools → Genogramm
Ein Genogramm ist die grafische Darstellung von Beziehungen und Strukturen innerhalb einer Familie. In der Regel werden in einem Genogramm sämtliche Familienmitglieder mehrerer Generationen (Herkunftsfamilie und aktuelle Familie) aufgezeichnet. Häufig wird ein Genogramm als Grundlage oder Ergänzung für eine Familienaufstellung oder Systemische Therapie sowie im Paar- und Familiencoaching eingesetzt. Es dient dazu, Beziehungsmuster und Zusammenhänge innerhalb einer Familie zu durchschauen, sowie wiederkehrende Muster in der Familiengeschichte zu verdeutlichen.
Inhaltsverzeichnis
Ein Genogramm bietet einen guten Überblick über die eigene Familie, den Familienstammbaum und deren Struktur. Aus einer Meta-Perspektive können Beziehungsmuster erkannt werden. Häufig lassen sich familiäre Muster, die immer wieder auftauchen, über mehrere Generationen zurückverfolgen. Durch ein Genogramm können die eigene Lebensgeschichte und Lebenserfahrungen in einem größeren Kontext eingeordnet werden. So können bestimmte Verhaltensweisen, Entscheidungen, Krisen, Tabus, Schicksale oder Krankheiten vor dem familiären Hintergrund besser verstanden und eingeordnet werden. Eine Visualisierung mit Hilfe eines Genogramms kann helfen, Informationen aus der Familiengeschichte zu sammeln, zu sortieren und Zusammenhänge transparent zu machen.
Das Genogramm entwickelte sich aus der Arbeit einiger wichtiger Vertreter der Familientherapie. Die ersten Familienstammbäume (Genogramme) wurden vom US-amerikanischen Psychiater und Psychotherapeut Murray Bowen erstellt. Bowen (1913-1990) gilt als einer der Begründer der Systemischen Therapie. Sein Ziel war es, sich durch Genogramme einen Überblick über die Generationen und vorhandene Familienmuster zu verschaffen. Ivan Boszorményi-Nagy (1920-2007), ein aus Ungarn stammender Arzt und Psychiater, war Mitbegründer eines der ersten Forschungszentren für Familientherapie in Philadelphia/USA, was später zum größten Ausbildungszentrum für Familientherapie in den USA wurde. Er ging u.a. davon aus, dass unsichtbare Bindungen innerhalb der Familienstruktur bestehen und sich als „emotionale Schulden“ äußern. Diese werden über Familiengenerationen hinweg registriert und müssen immer wieder zurückgezahlt werden. Auftretende Symptome bei einem Familienmitglied sind ein Zeichen für einen ausstehenden Schuldenausgleich. Daher sollte bei einer Therapie auch immer die familiäre Herkunft berücksichtigt werden. Er führte die Mehrgenerationen-Perspektive als wichtige Neuerung ein, die heute ein wesentlicher Bestandteil von Aufstellungsarbeit ist. Auch die Familientherapeutin Virginia Satir (1916 – 1988) brachte die Entwicklung voran. Aufbauend auf Bowens und Boszorményi-Nagys Arbeit entwickelte Satir zur Visualisierung familiärer Beziehungen die „Familienskulptur“, bei der sich Familienmitglieder wie Statuen positionieren, die miteinander in Interaktion stehen. Schließlich knüpften die Familientherapeuten Monica McGoldrick und Randy Gerson an die Idee von Bowen an (generationsübergreifende Familienmuster) und entwickelten systematisch das Genogramm, wie wir es heute kennen. Obwohl die Idee schon lange bestand, fand das Genogramm daher erst zu Beginn der 1990er Jahre Eingang in die Familientherapie.
Kostenlose Webinartermine
12.11.2024, 20:00-21:00 Uhr Selbstcoaching, welches auch wirklich funktioniert: Techniken & Inspirationen Informationen und Anmeldung
05.12.2024, 19:30-21:30 Uhr Marketing für Coaches Supervision Informationen und Anmeldung
18.03.2025, 20:00-22:00 Uhr Einführung in das Enneagramm Informationen und Anmeldung
18.03.2025, 19:30-21:30 Uhr Marketing für Coaches Supervision Informationen und Anmeldung
01.04.2025, 20:00-21:00 Uhr Schatten-Arbeit Informationen und Anmeldung
19.08.2025, 20:00-21:30 Uhr Erwecke den Helden in Dir! Informationen und Anmeldung
Alle Termine >>
In der Aufzeichnung werden sämtliche Mitglieder des eigenen Familienstammbaums erfasst. Die Familie des Lebens- oder Ehepartners spielt dabei keine Rolle, es handelt sich dabei schließlich nicht um die eigene Herkunftsfamilie. Es sei denn, hier gibt es eine Person, die für das eigene Leben eine große Bedeutung hat, diese kann dann ebenfalls notiert werden. Wenn ein Genogramm für die eigenen Kinder erstellt wird, wird natürlich die Familie des Partners, sofern er der andere Elternteil ist, ebenfalls berücksichtigt und skizziert. Alle Familienmitglieder werden notiert, auch früh verstorbene, vermisste oder ausgegrenzte Mitglieder. Dazu zählen die eigenen Geschwister, die Eltern, deren Geschwister, die Großeltern und ihre Geschwister, ebenso Stief-Eltern oder Personen, die in irgendeiner Form zur Familie gehörten. Auch Fehl- oder Totgeburten im Familienkreis werden notiert.
Integrale Aufstellungen für die persönliche Evolution
E-Book für 0,- €Integrale Aufstellungen für die persönliche Evolution
Die systematische Ergänzung zu NLP. In diesem E-Book von Rolf Lutterbeck erfährst du:
Zum Erstellen einer Genogramm-Vorlage ist etwas Vorbereitung erforderlich. Wie Sie konkret vorgehen, hängt davon ab, ob Sie ein Genogramm für Ihre eigene Familie skizzieren wollen oder ob es für einen Klienten im Rahmen eines Coaching-Prozesses erstellt wird. Im ersten Fall können Sie selbst mit der Recherche bei Verwandten beginnen und ihre Informationen sammeln. In der Genogramm-Arbeit mit Coaching-Klienten bietet sich der unter Punkt 1.2 aufgezeigte Interview-Leitfaden mit entsprechenden Fragen an.
Wer ein Genogramm seiner eigenen Familie erstellen möchte, sollte am besten Schritt für Schritt vorgehen und sich der Familiengeschichte allmählich nähern. Sammeln Sie möglichst viele Informationen über Ihre Familie. Notieren Sie alles, was Sie über Ihre Geschwister, Eltern, Großeltern, Onkel und Tanten wissen. Fragen Sie Familienmitglieder, vor allem auch ältere, nach der Familiengeschichte. Gehen Sie dabei sensibel vor. Das gemeinsame Durchblättern von Foto-Alben kann hier ein guter Einstieg sein. Manche Verwandte werden mit großer Freude erzählen, andere wiederum haben eher Sorge, dass heikle Themen ans Tageslicht kommen können. Gehen Sie wertschätzend und ohne Vorurteile an die Recherche und Gespräche heran. Auch Ihre eigenen Geschwister sind oft eine wahre Fundgrube für Erinnerungen, die Sie selbst vielleicht schon vergessen hatten.
Informationen sind vor allem hilfreich über
Diese Vorbereitung ist natürlich auch für Klienten in der Familienberatung oder im Coaching möglich, sofern sie ausreichend Zeit dafür erhalten. Aus praktischen Gesichtspunkten wird die Recherche vermutlich erst im Laufe des Coaching-Prozesses stattfinden und der Klient anfangs nur die ihm bereits bekannten Informationen zur Verfügung stellen können.
Beim Erstellen eines Genogramms bietet sich ein strukturierter Fragenkatalog an, um möglichst alle Informationen zu erfassen. Ergänzend können auch weitere Familienmitglieder befragt werden, um ein umfassendes Bild zu erhalten und Wissenslücken zu füllen. Die folgenden Fragen sind ein Vorschlag. Es hat sich bewährt, zunächst Informationen über den Klienten und seine Familie zu sammeln, danach die Daten der früheren Generationen (Eltern, Großeltern) zu erfragen.
Informationen über den Klienten selbst
Informationen über die Herkunftsfamilie des Klienten
Informationen über die Herkunftsfamilien der Eltern
Starten Sie mit einem Elternteil und dessen Familie, danach die andere Familie. So behalten Sie den Überblick.
Entsprechende Fragen können, soweit sie noch beantwortet werden können, auch für die Generation der Großeltern gestellt werden.
Weiterführende Fragen zur Familie
Zu den notierten biografischen Daten werden nun ergänzende Informationen erfragt, soweit diese noch nicht durch ein freies Gespräch ersichtlich wurden.
Sie müssen die Fragen nicht wie in einem Katalog abarbeiten. Oft erzählt der Klient mehr, wenn er freier erzählen kann. Die Fragen sind ein Leitfaden, um alles Wichtige zu notieren, doch sie können auch in einem freien Gespräch beantwortet werden.
Nach (oder auch schon während) der Informationssammlung werden die einzelnen Familienmitglieder und ihre Beziehung zueinander visualisiert. Sinnvollerweise wird mit der eigenen Generation begonnen, ausgehend von der eigenen Person und vorhandenen Geschwistern. Diese werden alle in einer horizontalen Linie angeordnet. Eine Ebene darüber werden die Eltern visualisiert, darüber die Großeltern und eine weitere Ebene höher ggf. die Urgroßeltern. Es haben sich für die grafische Darstellung bestimmte Symbole etabliert. Diese Genogramm-Vorlage lehnt sich an die vielerorts üblichen Symbole von McGoldrick und Gerson an, gelegentlich sind einzelne Symbole abgeändert.
Zu den einzelnen Symbolen und deren Anordnung
Weitere Symbole
(Eine ausführliche Übersicht über Genogramm-Symbolik findet sich bei Monica Mc Goldrick und Randy Gerson „Genogramme in der Familienberatung“, siehe Literaturhinweis unten.)
Sobald alle Daten notiert sind, wie sie auch in Familienstammbäumen zu finden sind, Namen, Eheschließungen, Geburts- und Sterbedaten, Kinder etc., werden besondere Ereignisse ergänzt. Was ist noch über die Familienmitglieder bekannt?
Die Daten können zunächst auf Post-its notiert werden. Höchstwahrscheinlich gibt es zu einigen Mitgliedern sehr viel zu ergänzen, andere scheinen eher weniger Merkmale aufzuweisen. Auch das kann ein interessanter Hinweis sein, wenn jemand offenkundig kaum wahrgenommen wurde. Auch die Beziehungen untereinander können durch ergänzende Symbole (siehe Verbindungslinien) sichtbar gemacht werden. Dabei können durchaus eigene Symbole verwendet werden, sofern diese sehr aussagekräftig sind.
Jetzt geht es an die Auswertung und somit an die eigentliche Genogrammarbeit. Dies ist vermutlich für einige der interessanteste Teil. Viele Erkenntnisse und Aha-Erlebnisse gab es vermutlich schon beim Erstellen des Genogramms (Beispiel: „Alle erstgeborenen Frauen der Familie sind unverheiratet geblieben oder ins Kloster eingetreten.“) Daraus lassen sich schon erste Rückschlüsse ziehen. Mit dem vollständigen Genogramm bietet sich jetzt nochmals ein guter Überblick. Es wird rasch erkennbar, wo sich Schicksalsschläge häuften, wo sich Lebensentwürfe ähnelten oder dieselben Beziehungsmuster auftraten. Wo gibt es einen erkennbaren Zusammenhang zu aktuellen Schwierigkeiten oder Lebenskrisen? Bei der Auswertung des Genogramms sollte lösungsorientiert vorgegangen werden. Das heißt, es sollten keine vorschnellen Interpretationen erfolgen. Stattdessen ist es sinnvoller, sich mit konkreten Fragen der Auswertung zu nähern.
Die genannten Fragen sind nur eine Anregung und beliebig erweiterbar. Das Genogramm bietet eine unerschöpfliche Grundlage, um sich eingehender mit der eigenen Familiengeschichte zu befassen. Vertiefend können nun die Erkenntnisse professionell angegangen werden. Zum Beispiel in einem Systemischen Coaching-Prozess, oder einer Systemischen Therapie. Das Genogramm kann auch die Basis für eine Familienaufstellung sein, da nun eine Menge Informationen schon bekannt sind.
Die Erstellung eines Genogramms kann mehrere Tage oder Wochen in Anspruch nehmen. Hier ein paar praktische Tipps:
Genogramme in der Familienberatung
Der Klassiker zum Einstieg, bietet einen hervorragenden Überblick und enthält ausführliche Genogramm-Symbole.352 Seiten, Hogrefe, vorm. Verlag Hans Huber; Auflage: 4., unveränderte Auflage (21. März 2016) ISBN 3456856695 Monica McGoldrick, Randy Gerson, Sueli Petry
Grundlagen der Familienaufstellung für Dummies Pocketbuch
142 Seiten, Wiley-VCH; Auflage: 1. (14. April 2016) ISBN 3527712704 Paul Gamber
Familiengeheimnisse: Warum es sich lohnt, ihnen auf die Spur zu kommen
368 Seiten, Goldmann Verlag (15. Dezember 2014) ISBN 3442175127 John Bradshaw
Einführung in das Integrale Denken und die AQAL-Theorie
E-Book für 0,- €Einführung in das Integrale Denken und die AQAL-Theorie
Entdecke die Welt des Integralen Denkens und der AQAL-Theorie!
Zurück zum Seitenanfang
© 2024 Landsiedel