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„Du darfst erst wieder Brokkoli essen, nachdem du alle Pizza-Vorräte aufgefuttert hast!“ Solche Verbote oder merkwürdigen Aufforderungen können tatsächlich dazu führen, Kinder zum Essen von Gemüse zu motivieren. Indem die Eltern ihnen es verbieten. Klingt paradox? Ja. Genau darum geht es in der Paradoxen Intervention: Genau das Gegenteil von dem fordern, was man erreichen möchte. Und zwar nicht nur in der Kindererziehung, sondern auch in verfahrenen Situationen im Business, in der Therapie oder im Coaching.
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Eine Paradoxe Intervention ist eine (ursprünglich therapeutische) Maßnahme, bei der ein problematisches Verhalten oder Krankheitssymptom dem Patienten bewusst „verschrieben“ wird, als Mittel, genau dieses Verhalten oder Symptom zu überwinden.
Die Paradoxe Intervention ist eine Vorgehensweise aus der Familientherapie und stammt aus dem Systemischen Ansatz der „Mailänder Schule“ von Mara Selvini Palazzoli und ihrem Team (1970er Jahre). Selvini Palazzoli arbeitete vor allem mit Familien, bei denen ein Familienmitglied schizophren war oder an Essstörungen litt. Ausgehend von der Hypothese, dass eine Familie ein sich selbst regulierendes System darstellt, beeinflussen sich die Familienmitglieder mit ihren Beziehungsmustern gegenseitig und folgen bestimmten Regeln. Dies gilt auch für Familien, in denen mindestens ein Familienmitglied als „pathologisch“ diagnostiziert ist. Zudem stellten sie fest, dass Familien mit einem schizophrenen Mitglied besonders häufig ein Gewirr an paradoxer Kommunikation zeigten.
Eine dieser Kommunikationsformen ist das sogenannte „double bind“ (Doppelbindung), bei der die wörtliche Aussage einer Person („ich hab dich lieb“) völlig konträr zur Stimme, Mimik und Körperhaltung ist: kalte Stimme, hängende Mundwinkel, ernster Blick, abweisende Körperhaltung. Die sprachlichen und nichtsprachlichen Botschaften sagen also etwas Gegenteiliges aus und es ist nicht klar, auf welche der Botschaften der Empfänger reagieren soll. (Dies wurde etwa zur gleichen Zeit auch von Paul Watzlawick und seinem Team in Palo Alto, Kalifornien beobachtet und beschrieben.) Um diesen Familien helfen zu können, suchte das Mailänder Team nach Möglichkeiten, in das familiäre Regelwerk einzugreifen und dadurch die Symptome zu verändern. Eine der Maßnahmen war, die auftretenden Symptome positiv zu bewerten und als sinnvoll zu interpretieren, was auf die Familien ausgesprochen paradox wirkte und deren Interaktionsmuster unterbrach. Auch verordneten sie den Familien bzw. dem kranken Familienmitglied bewusst, das problematische Verhalten beizubehalten. Mit diesen paradoxen Interventionen bewirkten sie positive Veränderungen im Familiensystem. Es war jedoch ein sehr individuelles Vorgehen und keine als wirkungsvoll entdeckte Maßnahme konnte einfach so auf eine andere Familie übertragen werden. Auch war es sehr schwierig, vorherzusagen, wie eine paradoxe Intervention wirken würde. Zudem waren sie sehr manipulativ. Paradoxe Interventionen galten lange Zeit als typische Technik der System- und Familientherapie. Doch auch bei anderen Therapeuten (Alfred Adler, Sigmund Freud, Fritz Perls und Viktor Frankl) finden sich paradoxe Elemente und Vorgehensweisen. Viktor Frankl zum Beispiel prägte den Begriff der „Paradoxen Intention“, der oft synonym mit der Paradoxen Intervention verwendet wird. Es sind jedoch zwei verschiedene Begriffe mit unterschiedlicher Herkunft.
Auch wenn die Ursprünge aus dem therapeutischen Bereich stammen, können paradoxe Interventionen auch im Coaching eingesetzt werden. Voraussetzung ist hierfür eine gute Beziehung zwischen Coach und Klienten, sowie ein sehr individuelles Vorgehen. Was für einen Klienten hilfreich ist, muss beim anderen nicht ebenso passen. Hier ein Hinweis: Manchmal ist zwischen den jeweiligen Varianten kaum ein Unterschied auszumachen. Manche Autoren versuchen, zwischen den einzelnen Techniken zu differenzieren, andere verwenden sie synonym. Lassen Sie sich daher nicht verwirren. Die folgende Unterscheidung wird in der Literatur von verschiedenen Autoren verwendet.
Paradoxe Interventionen sind keine eigene Coaching-Methode, doch sie können wohldosiert den Coaching-Prozess bereichern. Wichtig ist es, sich dabei gut auf den Klienten zu kalibrieren. Es gilt außerdem abzuwägen, bei wem diese Interventionen eingesetzt werden. Jemand, der aktuell gerade sehr in seinem Problem feststeckt, braucht vielleicht eine andere Intervention oder kann durch Paradoxien zusätzlich in Stress versetzt werden. Kombiniert mit großer Wertschätzung dem Klienten gegenüber können sie jedoch durchaus gute Resultate bewirken.
Paradoxon und Gegenparadoxon: Ein neues Therapiemodell für die Familie mit schizophrener Störung
167 Seiten, Klett-Cotta /J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger; Auflage: 12 (1. März 2011) ISBN 3608953752 Mara Selvini Palazzoli, L Boscolo, G Cecchin, G Prata
Menschliche Kommunikation: Formen, Störungen, Paradoxien
324 Seiten, Hogrefe, vorm. Verlag Hans Huber; Auflage: 13., unveränderte Auflage (12. Dezember 2016) ISBN 3456857454 Paul Watzlawick, Janet H. Beavin, Don D. Jackson
Ärztliche Seelsorge: Grundlagen der Logotherapie und Existenzanalyse Mit den ›Zehn Thesen über die Person
352 Seiten, dtv Verlagsgesellschaft (1. August 2007) ISBN 342334427X Viktor E. Frankl
Mehr als glücklich: Den Sinn des Lebens entdecken mit Viktor E. Frankl (Topos Taschenbücher)
160 Seiten, Topos plus; Auflage: 1 (1. Januar 2016) ISBN 3836710404 Inge Patsch, Sebastian Schmidt
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