Was passiert während einer Hypnose auf neurologischer Ebene?

Diese Frage kann man nicht vollständig beantworten, da hierfür zunächst der Zustand der Hypnose klar definiert sein müsste, was er jedoch nicht ist. Es gibt verschiedene Hypothesen darüber, was auf neurologischer Ebene im Gehirn vor sich geht, wenn man hypnotisiert ist.

Bei der Erforschung der neuronalen Grundlagen von Hypnose war vor allem die Erkenntnis bedeutend, dass die Induktion einer hypnotischen Trance plastische Veränderungen im Gehirn bewirkt. Dies konnte in diversen Studien unter Einsatz moderner bildgebender Verfahren, wie der Positronen Emissions Tomographie (PET) und der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT) gezeigt werden.

Eine wichtige Rolle bei der Hypnosetherapie spielen die Nutzung von implizitem Wissen und die Anregung zu impliziter Informationsverarbeitung. Während einer Trance sind die für implizites Lernen verantwortlichen neuronalen Schaltkreise aktiviert. Die so erworbenen impliziten Fähigkeiten und Wissensanteile können später unbewusst ausgeführt werden. Das betrifft nicht nur motorische Fähigkeiten, sondern auch Priming, Konditionierung und nicht-assoziatives Lernen (siehe lernen).

Wie bereits beschrieben, geht man bei der Hypnose überwiegend von einer Dissoziation aus, wobei das Gehirn verschiedene Informationsanteile eines einzelnen Reizes nicht mehr zu einem Gesamtbild zusammenfügen kann, beispielsweise die Wahrnehmung von Intensität, Dauer oder Art einer Emotion. Das bedeutet, dass Nervenzellen im Trance Zustand weniger stark miteinander kommunizieren, wodurch die Verbindung zwischen Netzwerken, die einzelne Reizaspekte bearbeiten, abbricht. Das Frontalhirn, das dafür verantwortlich ist, aktiviert diesen Informationsaustausch jedoch wieder, sobald der Hypnotiseur die Trance beendet und der Patient erlebt wieder alles wie gewohnt.

Mit Hilfe eines EEGs können Veränderungen der Gehirnströme während einer Hypnose sichtbar gemacht werden, wodurch nachgewiesen werden kann, dass es sich bei der Hypnose um eine sehr wirksame Methode zur Modifikation der Psyche handelt. Unser Gehirn arbeitet mit verschiedenen Frequenzen und Amplituden - Alpha-Wellen dominieren, wenn eine Person entspannt ist, Beta-Wellen sind charakteristisch für konzentriertes Arbeiten. Für die Hypnose sind besonders die Delta-Wellen von Bedeutung, die bei tiefer Entspannung oder im Tiefschlaf auftreten und durch die Suggestion von Ruhe und Schläfrigkeit ausgelöst werden können. In diesem Zustand ist es für den Hypnotiseur möglich, durch die Hypnotherapie Rapport zu setzen. Auch wenn man sich mit Hilfe einer Selbsthypnose selbst hypnotisiert, kann man solche Suggestionen nutzen.

Biologische Erklärungsversuche von Hypnose nehmen daher an, dass eine Verknüpfung von mentalen und körperlichen Ereignissen stattfindet. Während einer Trance reagiert man empfänglicher auf Suggestionen, da die Aktivität des Gehirnareals, welches unsere Gedanken schweifen lässt oder für Tagträume zuständig ist, stark vermindert ist. Es kommt also nicht nur zu einer besonders ausgeprägten Art von Entspannung sondern zu einer Veränderung der Hirnaktivitäten, welche durch die genannten bildgebenden Verfahren sichtbar gemacht werden kann. Das Gehirn verbraucht durch das Hypnotisieren außerdem mehr Glukose und arbeitet auf einem höheren Energieniveau als in wachem Zustand. Die Aktivität der sprachlichen Hemisphäre nimmt ab, die der anderen Gehirnhälfte nimmt zu. Die beiden Hälften zeigen einen deutlich erhöhten Informationsaustausch untereinander und Gefühle, Erfahrungen oder neue Lösungsmöglichkeiten, wirken tiefer und nachhaltiger. Im EEG zeigen sich währenddessen Theta-Wellen, welche charakteristisch für Kreativität und Erinnerung sind. Es ist jedoch nach wie vor nicht geklärt, warum unser kritisches Urteilsvermögen während der Trance ausgeschaltet ist und man sich von Fremdsuggestionen durch den Hypnotiseur leiten lässt.

Während der Hypnose ist auch der präfrontale Kortex, also der vordere Gehirnlappen, besonders aktiv. Er steuert das Denken und Planen. Des Weiteren sind die Bereiche aktiv, die durch die spezifischen Suggestionen des Hypnotiseurs angesprochen werden. Das sind z.B. für visuelle Vorstellungen der Hinterhauptslappen und für suggerierte Bewegungen das Großhirn, so als würde der Patient die Bewegung tatsächlich ausführen

Durch die Hypnose wird also nicht nur die psychologische, sondern auch die physiologische Wirklichkeit im Gehirn verändert. Dies wird an einer Studie von S. Coffin und D. Spiegel deutlich, die, nachdem sie ihre Probaden hypnotisiert hatten, ihnen ein buntes Muster zeigten, ihnen aber suggerierten, dass dieses Muster grau sei. Daraufhin verringerte sich die Aktivität im Hinterhauptslappen, der visuelle Reize verarbeitet. Wurde den Personen ein graues Muster gezeigt mit der Suggestion dieses wäre bunt, nahm die Aktivität dagegen zu. Die Gehirnaktivität war also in Hypnose unabhängig von den realen visuellen Eindrücken des Auges - das Gehirn vertraute den Suggestionen mehr als seinen eigenen Wahrnehmungen. Das liegt daran, dass in der Trance die Reihenfolge von Wahrnehmung und Bewertung umgekehrt ablaufen. Im Wachzustand wird ein visueller Reiz zunächst durch den Hinterhauptslappen registriert, erst dann erfolgt die Bewertung durch den präfrontalen Kortex. Während der Hypnose wird die Bewertung jedoch direkt durch die eingeflüsterte Suggestion geprägt und dann erst an den Hinterhauptslappen weitergeleitet. Infolgedessen "sieht" man Farben, obwohl die Augen eigentlich nur "Grau" wahrnehmen.

Weitere Untersuchungen mit bildgebenden Verfahren konnten zeigen, dass das Gehirn im Trance Zustand weniger empfänglich für Außenreize ist und dafür umso mehr mit der normalerweise unbewusst ablaufenden Selbstorganisation beschäftigt ist, welche vom Hypnotiseur beeinflusst werden kann. Das "emotionale Bewertungssystem", also die im limbischen System gespeicherten Erinnerungen sind zugänglicher für Neubewertungen und positive Suggestionen.

Neuere Befunde aus der Genforschung lassen außerdem vermuten, dass es erblich bedingte Unterschiede in der individuellen Ausprägung der Hypnotisierbarkeit gibt. Sie legen einen Zusammenhang zwischen der individuellen Variabilität von Neurotransmittern und der unterschiedlich stark ausgeprägten Hypnotisierbarkeit nahe. Besonders der neuronale Botenstoff Dopamin scheint dafür zentral zu sein. Außerdem scheint das Corpus Callosum* bei leicht hypnotisierbaren Menschen größer zu sein.

*Corpus Callosum: "Brücke", die die beiden Hemisphären des Gehirns miteinander verbindet und dem Informationsaustausch dient. Das Rostrum, also der vordere Teil dieser Brücke ist während der Trance besonders aktiv.

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