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Mentales Training oder Mental-Training ist eine Form des geistigen Trainings, bei dem man bestimmte Abläufe, Fertigkeiten und Verhaltensweisen gedanklich immer wieder durchspielt, die in einer zukünftigen Situation beherrscht werden sollen. Die Abläufe (z.B. sportliche Bewegungsabläufe, Handlungsabläufe, Verhaltensweisen etc.) werden visualisiert, ohne die Bewegung oder Handlung in diesem Moment tatsächlich durchzuführen. Dabei handelt es sich nicht um eine gelegentliche oder sogar einmalige Visualisierung. Sie muss regelmäßig wiederholt werden, um einen Trainingseffekt zu erzielen. Dadurch wird der spätere Bewegungs- oder Handlungsablauf verbessert. Um dies zu erreichen, werden verschiedene Methoden und Techniken genutzt. Sie zielen darauf ab, das eigene Denken und Handeln bewusst und positiv zu beeinflussen, sowie eigene Begrenzungen, Hindernisse und limitierende Glaubenssätze aufzulösen.
Mentales Training wurde erstmals von Eberhard Ulich Mitte der Sechziger Jahre in Verbindung mit Sportpsychologie erwähnt. Er bezog sich dabei auf aktives Training im Sport und bezeichnete damit ein „planmäßig wiederholtes bewusstes Sich-Vorstellen des zu erlernenden Bewegungsablaufs“. Fred Christmann stellte Mentales Training als psychotherapeutische Methode Anfang der Neunziger Jahre vor und beschrieb den Einsatz in der klinischen Psychologie und Psychotherapie, etwa zur Angstbewältigung, bei Sucht oder psychosomatischen Beschwerden. Er schildert Methoden zur Psychoregulation und Entspannung, kombiniert mit angeleiteten mentalen Trainingseinheiten in Trance. Auch heute wird Mentales Training überwiegend in der Sportpsychologie genutzt, von (Spitzen)-Sportlern als Trainingsergänzung und für die Wettkampfvorbereitung. Mentaltraining kommt ebenfalls in Bereichen zum Einsatz, in denen Können und Spitzenleistung jederzeit abrufbar sein müssen, vor allem dann, wenn es wirklich drauf ankommt. Dazu zählen Situationen bei starkem Stress oder unter großem Druck, zum Beispiel im Top-Management, bei Piloten, Chirurgen, Rettungskräften und vielen anderen beruflichen Kontexten. „Mentales Training“ oder „Mental-Training“ ist als Begriff nicht geschützt und wird oft als werbewirksame Mode-Bezeichnung verwendet. Nicht jedes sogenannte Mentaltraining ist daher auch eine nützliche Methode. Zudem kann man davon ausgehen, dass wirksame Formen von Mental-Training auch unter anderen Namen bekannt sind, je nach Einsatzgebiet: Mentales Training nach Sportverletzungen oder in der Reha wird z.B. auch als „Psychologisches Training“ oder „Psychologisches Aufbautraining“ bezeichnet. Auch viele psychologische Methoden und Coaching-Verfahren wie NLP, Hypnose oder Entspannungstechniken enthalten sehr viel Mentales Training oder werden als Begriff synonym verwendet.
Das Mentale Training wird eingesetzt, um sich auf herausfordernde Situationen vorzubereiten, verbesserte oder alternative Handlungsoptionen zu bekommen oder auch, um Erlebnisse und Erfahrungen nachträglich aufzubereiten. Es hat daher auch längst seinen Platz in der Medizin, im Coaching, in Beratung, Therapie und Rehabilitation gefunden. Zudem kann es in allen Bereichen des Selbstmanagements genutzt werden. Dem liegt die Überzeugung zu Grunde, dass jederzeit etwas Neues gelernt werden kann, das Erlernte geübt werden muss und dass innere Vorgänge und Vorstellungen des Klienten eine wichtige Rolle für den Erfolg spielen. Mentales Training ist eine Ergänzung zu sportlichem Training, beruflichem Handeln, trainierten Bewegungs- und Handlungsabläufen. Dabei stehen mentales Training und z.B. sportliches Training gleichwertig nebeneinander. Ein Mensch, der nur mental trainiert, Fahrrad zu fahren oder ein Passagierflugzeug zu landen, wird dies ohne Praxis und echtes Training nicht bewerkstelligen können.
Mentaltraining wird eingesetzt
Jede Handlung, die wir durchführen, ist auch immer von einem mentalen Prozess begleitet. Meist machen wir uns das gar nicht bewusst. Wir denken über das nach, was wir tun und haben auch eine Erwartungshaltung darüber, ob uns das Vorhaben gelingt oder nicht. Dies gilt auch für bevorstehende Ereignisse. Dabei ist die Qualität unserer Gedanken ausschlaggebend. Wenn wir uns vor etwas fürchten, malen wir uns die Situation vielleicht als bedrohlich aus. Je häufiger wir das tun, umso mehr sind wir davon überzeugt, dass diese bedrohliche Situation auch tatsächlich so eintrifft. Umgekehrt können wir uns auf bestimmte Ereignisse so stark freuen, dass in unserer Vorfreude immer wieder die positiven Aspekte gedanklich durchgespielt werden. Unser Geist beeinflusst dadurch tatsächlich die Ergebnisse. Auch wenn es uns nicht klar ist, praktizieren wir so eine einfache Form von mentalem Training. Was hier unbeabsichtigt und unbewusst geschieht, können wir natürlich auch bewusst und zielfördernd einsetzen. Wir können uns vorab überlegen, wie wir in einer Situation, vor der wir uns fürchten, handeln könnten. Spitzensportler machen dies, um sich für Wettkämpfe in einen optimalen Zustand zu bringen, Manager, Führungskräfte, Piloten, Chirurgen beispielsweise, um sich auf besondere Herausforderungen vorzubereiten. So sind die Einsatzmöglichkeiten nahezu unbegrenzt und in fast jedem Bereich zu finden.
Giacomo Rizzolatti, einer der bedeutendsten Neurophysiologen und Hirnforscher unserer Zeit, entdeckte, dass die Vorstellung einer Handlung und die Handlung selbst neurologisch das gleiche ist. Mit anderen Worten, in unserem Gehirn werden die gleichen Neuronen - sogenannte Handlungsneuronen - aktiv, egal, ob wir tatsächlich eine Bewegung durchführen oder uns nur vorstellen, sie zu machen. Dies wird oft missverstanden, so als würden wir keinen Unterschied zwischen einer Imagination und der Realität bemerken. Zum Glück kommen noch andere Kriterien und Mechanismen unseres Gehirns hinzu, um hier klar unterscheiden zu können. Dennoch kann eine kraftvolle Imagination, verbunden mit starken inneren Bildern, Geräuschen, körperlichen Empfindungen und Emotionen (VAKOG) viele entsprechende Areale und Vernetzungen im Gehirn aktivieren und so die Fähigkeit zur Selbststeuerung verbessern.
Mentales Training ist das planmäßig wiederholte, systematische, bewusste und kontrollierte Optimieren von Vorstellungen des Eigenzustands, einer Handlung oder eines Weges ohne gleichzeitige praktische Ausführung. Man kann damit „innere Navigationssysteme“ entwickeln, die einen Schritt für Schritt zum Ziel führen. (Hans Eberspächer – Sportpsychologe)
Immer wieder kommt es bei öffentlichen Verkehrsmitteln zu Verzögerungen, Zugausfällen, technischen Pannen. Wer im abendlichen Berufsverkehr dann trotzdem schnell nach Hause möchte, kann sich vorab schon mal einen Notfallplan und Handlungsalternativen überlegen:
Das sind einfache Übungen, die gedanklich mögliche Handlungsalternativen durchspielen, um sie bei Bedarf ohne Zeitverlust nutzen zu können.
Bei Mental-Training können viele Methoden zum Einsatz kommen, angefangen bei konkreter Zielformulierung über Visualisierungstechniken, Entspannungsverfahren, Hypnose, Suggestionen und Strategien aus dem NLP. Im Folgenden werden Grundfertigkeiten im Mentalen Training (nach Eberspächer) vorgestellt, die einige der genannten Methoden nutzen. Die hier aufgezählten Fertigkeiten kommen in der Sportpsychologie zum Einsatz, die meisten lassen sich jedoch auch auf andere Bereiche übertragen.
Diese Trainings-Bereiche zielen darauf ab, Handlungen und Abläufe zur Routine werden zu lassen. Neben Fähigkeiten und Können kommt es im Ernstfall darauf an, dass auch der Kopf mitspielt. So soll keine Zeit durch langes Nachdenken verloren gehen. Mit diesen Trainings sollen entsprechend kognitive Fertigkeiten erreicht werden, die automatisch ablaufen und durch regelmäßige Übung erworben werden. Fertigkeiten müssen sitzen und auf Kommando verfügbar sein.
Selbstgespräche sind normal und dienen auch dazu, die aktuelle Situation, unser Können, Anforderungen und Erwartungen zu reflektieren. Während eines Wettkampfs oder in Extremsituationen sind sie jedoch kontraproduktiv und hindern uns, das Können wirklich abzurufen. Methoden zur Selbstgesprächsregulation sind u.a. Selbstmotivation (bestärkende Sätze, sich selbst Mut machen, Durchhalteparolen) oder Rationalisierungstechniken, in denen z.B. die Bedeutung einer belastenden Situation hinterfragt wird (vergleichbar mit Reframing).
Hier geht es darum, die Kompetenz, die ein Sportler im Training zeigt, auch im Wettkampf abzurufen. Im Prognosetraining gibt der Sportler eine Selbsteinschätzung über seine zu erwartende Leistung ab und analysiert anschließend, wie realistisch diese Schätzung war (z.B. beim Torwandschießen: wie oft treffe ich bei 10 Schüssen?). Beim Training der Nichtwiederholbarkeit gibt es, wie auch im Wettkampf, nur eine einzige Chance, die Leistung abzurufen. (Im Vergleich: beim normalen Training kann z.B. eine Handlung mehrmals wiederholt werden, bis sie optimal klappt). Auch eine Kombination von Prognose und Nichtwiederholbarkeit, gekoppelt mit einer Zeitverzögerung, ist sinnvoll: hier wird nach der Prognose über die erwartetet Leistung ein Zeitpuffer eingebaut, wie er auch der Wettkampfsituation entspricht.
Die Aufmerksamkeit kann entweder weit gestreut sein, d. h. der Athlet hat die Gesamtsituation im Blick (etwa beim Fußball), oder sie ist eng fokussiert auf genau die Bewegung, die jetzt durchzuführen ist. Hier wird also trainiert, bei Bedarf blitzschnell umschalten zu können. Zudem wird die Konzentration im richtigen Augenblick eingeübt: nicht nachdenken, sondern handeln, wenn es drauf ankommt, mit der Konzentration auf das, was jetzt im Moment getan wird.
Je nach Handlung werden verschiedene Aktivationsniveaus benötigt. Das Niveau einer Aktivität kann sich zwischen absoluter Entspannung und extremer, fast panikartiger Anspannung bewegen. Ziel der Übung ist, das optimale Niveau abrufen zu können, also nicht zu entspannt, aber auch nicht übererregt in eine Situation zu gehen. Hier kommen meist Methoden wie Autogenes Training, Atemtechniken oder Progressive Muskelrelaxation zum Einsatz.
Der Bewegungsablauf wird innerlich visualisiert und zielgerichtet immer wieder durchgegangen, bis alle wichtigen Schritte sitzen und abgerufen werden können. Je konkreter, d.h. mit allen Sinnen (VAKOG), dies geschieht, umso besser kann sich der Ablauf eingeprägt werden. Ein regelmäßiger Abgleich mit den tatsächlichen, realen Bewegungen ist sinnvoll. Dabei werden nur Abläufe mental geübt, die auch in der Realität bereits durchgeführt wurden. Nach der konkreten Instruktion über den Bewegungsablauf durch den Trainer wird der Ablauf vom Sportler beschrieben, anschließend werden die Bewegungen internalisiert (auswendig gelernt) und einzelne Knotenpunkte beschrieben, die reibungslos ablaufen müssen. Zum Schluss werden diese durch Symbole markiert und sind so leichter abrufbar (wie eine Bildergeschichte). Dieser Bereich der Vorstellungsregulation wird oft gemeint, wenn man allgemein über Mentales Training spricht.
Eine klare und realistische Zielsetzung ist wichtig, ebenso entsprechende Zwischenziele. Wenn Ziele nicht erreicht werden, ist eine entsprechende Analyse sinnvoll (War das Ziel zu hoch? Lag es an Gegebenheiten, die nicht zu beeinflussen waren? Etc.)
Häufig wird Mentales Training mit „Du-musst-nur-wollen“-Slogans gleichgesetzt. Mentales Training erfordert tatsächlich regelmäßiges und manchmal auch anstrengendes Üben. Es ist nicht mit einem Fingerschnippen zu erlernen, es handelt sich tatsächlich um „Training“. Deshalb sind viele schnelle Erfolgsversprechen von Motivationsgurus mit Vorsicht zu genießen. Es ist nicht damit getan, einmal die Augen zu schließen und sich einen Erfolg vorzustellen: das konsequente und regelmäßige Umsetzen (=Training), um wirklich dorthin zu kommen, gehört dazu. Bei Sportlern gilt, dass nur die tatsächlich beherrschbaren Abläufe mental trainiert werden sollen, damit sie unter Stress abgerufen werden können. Gerade bei Risikosportarten könnten sonst Techniken eingeübt werden, die eher der eigenen Wunschvorstellung als dem tatsächlichen Können entsprechen. In Bereichen wie Skispringen, Akrobatischem Skisport oder Motorsportarten kann eine Selbstüberschätzung zu schweren Verletzungen führen oder sogar tödliche Folgen haben. Oft wird argumentiert, dass die virtuelle Vorstellung sich von der Realität unterscheidet und daher mentales Training nicht wirklich etwas bewirken kann. Doch unabhängig davon, wie eine Situation später tatsächlich zu meistern ist, werden immer bestimmte Abläufe oder Eckdaten gleich sein, d.h. auch in ungewöhnlichen Situationen werden Routine-Abläufe vorkommen.
Mentales Training: Anwendungen in Psychotherapie, Beratung, Supervision und Selbsthilfe
148 Seiten, Hogrefe Verlag; Auflage: 2 (1. Januar 1996) ISBN 3801709566 Fred Christmann
Mentales Training: Das Handbuch für Trainer und Sportler
120 Seiten, Copress Sport; Auflage: 8. durchgesehene Neuauflage (20. November 2012) ISBN 3767911523 Hans Eberspächer
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Psychologie im Sport
448 Seiten, Meyer & Meyer; Auflage: 7 (26. Februar 2018) ISBN 3840376017 Sigurd Baumann
Gut sein, wenn's drauf ankommt: Von Top-Leistern lernen
248 Seiten, Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG; Auflage: 3. (6. September 2011) ISBN 3446449221 Hans Eberspächer
Keine Angst vor Ängsten: Verhaltenstherapeutische Techniken lernen und anleiten
134 Seiten, Schattauer; Auflage: 1 (1. September 2015) ISBN 3794531477 Fred Christmann
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