Gift & Gegengift - Coaching-Tool zur Entscheidungshilfe / Zielfindung

Gift & Gegengift
Fläschchen (Pixabay: © qimono)

Manchmal sind wir in unseren Denkweisen komplett festgefahren und finden auf üblichen Wegen keine neue Lösung. Wir stecken so fest, dass uns kaum noch etwas einfällt, um da wieder rauszukommen. Mit dieser Methode können wir unsere Gedankengänge mal so richtig durchschütteln und die bisherigen Lösungs-Ansätze auf humorvolle und kreative Weise in ihr Gegenteil verkehren.

Mit dem Coaching-Tool können spielerisch und provokativ zugleich neue Lösungsideen für scheinbar eingefahrene Ausgangssituationen geschaffen werden, um so auch Entscheidungen zu erleichtern. Innere Hindernisse werden erkannt und können bewältigt werden. Bei der Technik werden Fragestellungen oder wünschenswerte Ziele in ihr Gegenteil verkehrt und übertrieben dargestellt.

Inhaltsverzeichnis

  1. Herkunft / Hintergrund
  2. Anwendung / Einsatzmöglichkeiten
  3. Ziel
  4. Ablauf
    1. Zielformulierung
    2. Umkehrung ins Gegenteil
    3. Suche nach Ideen
    4. Erneute Umkehrung ins Gegenteil
    5. Auswertung
  5. Variante
  6. Dauer
  7. Weiterführende Literatur

Herkunft / Hintergrund

Die Methode „Gift und Gegengift“ wurde als Kreativitätsmethode von Annette Blumenschein und Ingrid Ute Ehlers entwickelt, sowie von Dr. Claudia Eilles-Matthiesen („Gift – Gegengift“) erweitert. Dabei wird ein erwünschtes Ziel bzw. Zustand zunächst als Gegenteil formuliert, um dann davon ausgehend nach Lösungsstrategien und neuen Möglichkeiten zu suchen. Im nächsten Schritt werden die so gefundenen Ideen wieder zurückverwandelt und durch diese gegensätzlichen Strategien neue Handlungsoptionen geschaffen. Blumenschein und Ehlers wählten den Begriff „Gift und Gegengift“ als Anlehnung an die allopathische Medizin, wo Krankheiten mit Mitteln behandelt werden, die den Symptomen entgegenwirken. Sie nutzten diese Analogie, um komplett neue Blickweisen auf das Problem zu fördern und zu finden.

Anwendung / Einsatzmöglichkeiten im Coaching

Die Methode eignet sich

  • Im Einzelcoaching
  • Im Teamcoaching oder in der Arbeit mit Veränderungs- und Gruppenprozessen, empfohlene Gruppengröße: 3 bis 6 Personen
  • Als nützliches Kreativitätstool in Eigenregie / Selbstcoaching, wenn man in einem Problem feststeckt

Es kann als Kreativitätstechnik verwendet werden (als humorvolle Variante von Brainstorming) sowie für Situationen, in denen Klienten oder Teams blockiert sind und keine wirkliche Lösung in Sicht ist. Es erweitert den Horizont und die Denkweisen, indem die gewohnten Pfade bewusst verlassen und vordergründig zunächst die gegenteilige Richtung eingeschlagen wird. Aus dem lähmenden Gefühl, in manchen Situationen ja „sowieso nichts ändern zu können“, erwächst so die Erkenntnis, welche Handlungsmöglichkeiten tatsächlich bestehen.

Ziel

  • Aufbrechen von festgefahrenen Denkmustern
  • Richtungswechsel im Denken
  • Entdecken und Aktivieren ungewöhnlicher Handlungsoptionen
  • Kreative Ideenfindung
  • Perspektivenwechsel

Ablauf

  1. Zielformulierung

    Was möchte der Klient / das Team erreichen?
    Beispiel: „Ich möchte meinen Kundenkreis erweitern und meine Stammkunden noch stärker von meinen Produkten begeistern“
  2. Umkehrung ins Gegenteil

    Was wäre das genaue Gegenteil dieses Ziels? Der Klient (das Team) formuliert es entsprechend aus. Beispiel: „Ich möchte keine Kunden dazu gewinnen und meine Stammkunden abschrecken und vergraulen.“

    Visualisierung: Die Aussagen werden visualisiert, entweder auf einer Flipchart oder Moderationstafel, oder bei Einzelcoaching auch auf einem großen Block.
  3. Suche nach Ideen

    Jetzt werden Ideen und Möglichkeiten formuliert, dieses „giftige“ Ziel zu erreichen. Der Coach ermutigt den Klienten, alles zu nennen oder zu notieren, was ihm einfällt. Es gibt keine falsche Idee, es ist alles erlaubt, wie z.B. in einem Brainstorming. Verrückte Ideen sind ausdrücklich erwünscht, und sie dürfen gern auch giftig, destruktiv, aggressiv sein. Die Ideen werden schriftlich festgehalten, entweder direkt auf die Flipchart geschrieben oder auf Moderationskarten / Haftnotizzettel.

    Beispiel:

    „Wir vergraulen die Kunden durch Inkompetenz, Unzuverlässigkeit und extrem schlechte Qualität.“ „Wir machen Kundenbesuche generell ungeduscht, schlecht frisiert und in schmutziger Kleidung.“ „Wir rufen nie zurück, sind unfreundlich, verlieren wichtige Geschäftsunterlagen und plaudern Vertraulichkeiten aus.“

    Ungewöhnliche und freche Vorschläge „Wir legen ihnen Reizzwecken auf den Stuhl“ sind ebenfalls ausdrücklich willkommen.
  4. Erneute Umkehrung ins Gegenteil

    Im nächsten Schritt werden die notierten Ideen wieder in ihr Gegenteil zurückübersetzt. Hier ergeben sich häufig wertvolle Erkenntnisse, eine Neu-Ausrichtung der Prioritäten oder ein neues Qualitätsbewusstsein. Nicht immer ist die Umkehrung identisch mit den Aktionen, die ein Klient oder ein Team bisher durchgeführt hat. Oft sind Innovationen notwendig, um die „giftigen“ Ideen in ihr Gegenteil zu verwandeln und umzusetzen.

    Beispiel:

    „Wir rufen sofort zurück“ kann bedeuten: Wir brauchen eine Geschäftsstelle, die tagsüber gut besetzt ist oder wir mieten einen Büroservice als externen Dienstleister an, der die Anrufe entgegen nimmt.
  5. Auswertung

    Die gewonnenen Einfälle werden anschließend sortiert, gewertet und auf ihre Umsetzbarkeit überprüft: Was kann sofort mit wenig Aufwand angewandt werden? Wofür brauchen wir weitere Ressourcen?

    Zusätzlich zu dieser inhaltlichen Auswertung erweitert Eilles-Matthiesen sie um eine Prozess-Auswertung (im Einzelcoaching), sofern genügend Zeit dafür besteht.

    Gibt es „giftige Ideen“, die der Klient jetzt schon einsetzt, egal ob bewusst oder unbewusst? Was kommt ihm dabei bekannt vor? Welche haben besonderen Spaß gemacht? Welcher Persönlichkeitsanteil hatte besonderen Spaß an diesen verrückten, manchmal bösartigen Ideen? (vergleiche hierzu auch Inneres Team von Schulz von Thun).

Variante

Das Vorgehen erinnert an die Kreativitätsmethode „Kopfstandtechnik“ bzw. „Provokationstechnik“ von Edward de Bono, bei dem besonders provokante und absurde Lösungen in einem Team hervorgerufen werden und zu außergewöhnlichen, innovativen Ideen führen können.

Uhrzeit Dauer

Dauer

Eingebettet in einen Coaching-Rahmen dauert der Einsatz zwischen 60 Minuten und 3 Stunden (z.B. mit ausführlicher Auswertung auf Prozess-Ebene):

Sammlung von Ideen ca. 30-45 Minuten (plus kurze Pause)
Umformulierung ins Gegenteil ca 30- 45 Minuten
ggf. ausführliche Auswertung ca 30-45 Minuten.

Diese Angaben sind Richtwerte, manche Klienten sind sehr produktiv beim Formulieren von giftigen Ideen und brauchen länger für die erneute Umkehrung. Andere Klienten brauchen eine Weile, um sich von gewohnten Denkmustern zu lösen und überhaupt erst auf ungewöhnlich giftige Ideen zu kommen.

Quelle / Weiterführende Literatur:

Ideen managen: Eine verlässliche Navigation im kreativen Problemlösungsprozess

Ideen managen: Eine verlässliche Navigation im kreativen Problemlösungsprozess

188 Seiten, Springer Gabler; Auflage: 2 (28. Juni 2016)
ISBN 3658095784

Annette Blumenschein, Ingrid Ute Ehlers

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Coaching-Tools II

Coaching-Tools II

352 Seiten, managerSeminare Verlag; Auflage: 4. Auflage 2017 (23. Juni 2009)
ISBN 3936075654

Christopher Rauen

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